Das Bienenmaedchen
Ferne war. Dann löschten ihre Tränen den Fleck aus.
Sie ging zu Fuß nach Bloomsbury zurück. Jedes ausgebombte Gebäude auf dem Weg zum Wohnheim erinnerte sie daran, dass andere in diesem Krieg noch viel mehr litten als sie. In ihrem Zimmer im Wohnheim hatte man Judys Habseligkeiten bereits zusammengepackt und ihr Bett abgezogen. Mary war da, die einmal fast zur Debütantin des Jahres geworden war und jetzt um ihre verlorene Freundin weinte.
KAPITEL 18
Während der nächsten vierzehn Tage besuchte Beatrice das Haus in Queen’s Gate regelmäßig. Angie erholte sich nur langsam und war ebenso wie ihre Mutter in einer derart schwachen, nervösen Verfassung, dass beide sie brauchten. Es wurde darüber gesprochen, ob man Nanny aus Devon herholen sollte. Aber das hätte bedeutet, dass auch Hetty mitkommen musste, und das hielt Mr Wincanton für eine schlechte Idee, solange die Bombenangriffe weitergingen. Arme Hetty! Beatrice dachte im Stillen, dass das Mädchen, das jetzt zwölf sein musste, nur wenig Aufmerksamkeit von seinen Eltern bekam, aber außer ihr fiel das offenbar niemandem weiter auf. Hetty befand sich zusammen mit ihrer Tante – der Frau von Oenones Bruder – und ihren Cousinen an einem relativ sicheren Ort. Nanny war bei ihr, und so meinte man, dass all ihre körperlichen und seelischen Bedürfnisse erfüllt würden. Was hätte Beatrice mehr von den Wincantons verlangen können? Nein, es gab nichts, was sie sinnvollerweise für Hetty tun konnte.
Die ersten zwei Tage verbrachte Angie im Bett. Dann hatte sie sich so weit erholt, dass man sie nach unten in den Salon bringen konnte. Dort lag sie in einem Nest aus Kissen auf dem Sofa und jammerte jedem, der ihr zuhörte, etwas vor. Das Lesen strengte sie an, und sie bekam davon Kopfschmerzen. Wenn Freundinnen und Freunde anriefen oder sie besuchten, ermüdete sie das anscheinend auch. Alle wollten mit ihr über das sprechen, was sie als »das Ereignis« bezeichnete. Immer und immer wieder gingen sie die Namen derjenigen durch, die bei der Explosion verletzt oder getötet worden waren, und diskutierten darüber, wessen Begräbnis das aufwendigste gewesen war. Angie deprimierten diese Gespräche, und sie befahl Peggy, alle abzuweisen.
Seltsamerweise war ihr Beatrice’ Gesellschaft willkommen. Weil sie die Tragödie mit ihr durchlebt hatte, erklärte ihr Angie einmal. Beatrice nahm sich vor, »das Ereignis« nicht zu erwähnen, es sei denn, indirekt. Stattdessen plauderten sie über fröhliche Dinge wie Beatrice’ Verlobung. Angie war einverstanden mit Guy – sie sah ein, dass sie ihn in der Nacht des »Ereignisses« wohl nicht so gesehen hatte, wie er am besten aussah. In ihrem Kopf setzte sich fest, dass er der Richtige für Beatrice war. »Er ist sehr zuverlässig und hat dich eindeutig lieb.«
»Meine Güte, das hört sich an, als sei er ein Langweiler!«, sagte Beatrice ein wenig verschnupft. Unwillkürlich dachte sie an Rafe, den Angie für deutlich interessanter gehalten hatte.
Rafe war ein weiteres Tabuthema, wie sie herausfand. Niemand hatte etwas von ihm selbst oder über ihn gehört, und trotz Michael Wincantons Nachforschungen gab es keine Neuigkeiten. Beatrice wurde rasch klar, dass Angie ihre Zuneigung zu Rafe auf seinen Bruder Gerald übertragen hatte, auch wenn ihr das nicht bewusst war.
Gerald kam häufig zu Besuch. Beatrice’ erster Eindruck von ihm bestätigte sich auch bei diesen weiteren Treffen: Er war größer und kräftiger als sein jüngerer Bruder und besaß nichts von Rafes mitreißender Tatkraft. Er war viel ernster und zurückhaltender. Er strahlte eine natürliche Autorität aus, und Beatrice war keineswegs überrascht, als sie hörte, dass er für die Beförderung zum Major vorgesehen war. Seine Arbeit machte offenbar seinen Verbleib im Land erforderlich, denn es war nie die Rede davon, dass er fortgehen würde. Dass seine Zurückhaltung auch mit einem gewissen Dickkopf gepaart war, merkte Beatrice zum ersten Mal, als sie ein paar Tage nach dem »Ereignis« mit ihm darüber sprach, ob Angie schon so weit wiederhergestellt wäre, um nach draußen gehen zu können.
Beatrice glaubte das. »Der Doktor meint, ein Spaziergang an der frischen Luft würde ihr guttun.«
»Ich weiß nicht, es erscheint mir ein bisschen zu früh. Das war ein ziemlich heftiger Schlag, den sie da gegen den Kopf bekommen hat. Woher wissen diese Ärzte, dass es keine dauerhaften Schäden gibt?«
Beatrice spürte seine Besorgnis, war sich aber auch
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