Das Bienenmaedchen
krank zu sein. Wenn ich wieder in Dover bin, wird’s bestimmt lustiger.«
In der letzten Märzwoche 1941 schaute Sandra Williams, die befehlshabende Offizierin, mit einem Lächeln zu Beatrice auf, als diese die Erste-Hilfe-Station betrat.
»Also, Sie sind mir ja eine!«, sagte Williams und wedelte mit einem offiziell aussehenden Brief. »Bei wem haben Sie sich höheren Orts lieb Kind gemacht? Sie bringen uns gewöhnliche Leute in Schwierigkeiten!«
»Wovon sprechen Sie?« Beatrice ließ hastig die letzten Tage Revue passieren. Hatte sie etwas falsch gemacht? Ihr fiel ein, dass sie bei ihrer Rückkehr in der vorletzten Nacht vergessen hatte, die Kantine zu demobilisieren. Sie war so müde gewesen, so entsetzlich müde. Vielleicht hatte sich die Mannschaft von letzter Nacht beschwert.
»Es ist furchtbar ärgerlich, wie Sie sich vorstellen können. Ich muss jetzt eine andere finden, die Ihre Schichten übernimmt.«
»Oh, Williams, es tut mir so leid wegen des verdammten Verteilerfingers. Es wird nicht wieder vorkommen, das verspreche ich Ihnen.«
»Sie verstehen mich wirklich nicht. Es geht nicht darum, dass Sie etwas falsch gemacht haben … Also, zumindest glaube ich das nicht. Jemand hat sie offensichtlich angefordert. Sie sind versetzt worden.«
»Versetzt? Wohin?«
Williams reichte ihr den Brief. »Ein R. Newton im Senate House erwartet Sie morgen Früh um zehn Uhr. Er wird Sie über Ihre neuen Aufgaben informieren. Hier, lesen Sie, und wundern Sie sich.«
Sie wurde eine Fahrerin des Informationsministeriums. Rasch stellte sie fest, dass zu ihren regelmäßigen Fahrgästen Michael Wincanton gehörte. Da er, wie sie wusste, nur Staatssekretär war, hätte er eigentlich den Fahrer nehmen sollen, der gerade verfügbar war, wenn er einen brauchte. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, nach ihr zu fragen.
»Du kennst den Weg, oder?«, fragte er sie beim ersten Mal. Er hatte ihr eine Adresse in Knightsbridge genannt.
»Natürlich«, antwortete sie, »aber vielleicht könnten Sie mir zeigen, welches Gebäude es ist.«
Er lehnte sich gemütlich in seinem Sitz zurück. »Du warst vermutlich überrascht, als du versetzt worden bist. Es gab eine freie Stelle, und ich habe dich nur vorgeschlagen.«
»Ich tue einfach das, was man mir sagt, Sir«, erwiderte sie und versuchte, ihre Stimme so neutral wie möglich klingen zu lassen, aber er war mit dieser Antwort offensichtlich nicht zufrieden.
»Sehr lobenswert. Aber die Menschen arbeiten am besten, wenn sie glücklich sind.«
»Ich war sehr glücklich, als ich mit der Kantine herumgefahren bin«, erklärte sie, während sie versuchte, die Heizung abzuschalten. Es war ein schöner Frühlingstag, und die Heizung, die wahrscheinlich den ganzen Winter über eingeschaltet gewesen war, erwies sich von jetzt auf gleich als überflüssig. Aber der Hebel bewegte sich nicht. »Ich hatte das Gefühl, ich würde den Menschen helfen … den einfachen Leuten, verstehen Sie.«
»Das ist im Krieg eine wichtige Aufgabe. Sehr wichtig.«
»Ich habe nicht gesagt, dass es das nicht wäre«, betonte sie. In Wahrheit mochte sie die Vorstellung nicht, dass er sie im Visier hatte. Sie spürte, dass er etwas von ihr wollte.
Nachdem sie mitten in der Nacht im Bombenhagel mit einer Kantine durch die Nebenstraßen von East End gefahren war, erwiesen sich die Arbeitsabläufe in diesem Job als leicht. Andere Aspekte waren es ganz und gar nicht.
Manchmal musste sie sich als Erstes am Haus in Queen’s Gate einfinden und anschließend Michael Wincanton zu Büros in Westminster oder Whitehall fahren, wo vermutlich Beratungen stattfanden, obwohl er natürlich nie etwas dazu sagte.
Eines Abends jedoch bekam sie im Wohnheim eine Nachricht, in der sie angewiesen wurde, ihn früh am nächsten Morgen von einer Adresse in Cadogan Gardens abzuholen. »Bleiben Sie im Wagen«, hieß es. »Er wird nach Ihnen Ausschau halten und herunterkommen.« Sie wusste nicht, wer dort wohnte, aber als sie nach dem Haus suchte, sah sie das blasse Gesicht einer Frau, die aus einem oberen Fenster hinausschaute. Die Frau drehte sich um, als würde sie mit jemandem sprechen. Ein paar Augenblicke später öffnete sich die zur Straße gelegene Haustür, und Michael erschien. Als er ihr dafür dankte, dass sie gekommen war, erwiderte sie: »Ich befolge nur meine Befehle.« Sie sprach in ihrem kältesten Ton und verspürte einen Anflug von Loyalität gegenüber Oenone. Statt sich durch ihre Missbilligung einschüchtern zu
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