Das Bienenmaedchen
fuhrwerkte herum, und ein paar Gärten entfernt sägte irgendjemand Holz. Jinx lag hechelnd auf der Erde und wartete geduldig darauf, dass es weiterging. Nichts deutete darauf hin, dass das Leben irgendwie anders war als vor fünf Minuten, und sie konnte auch nicht genau sagen, wie – und doch war es anders. Etwas hatte sich verändert. Die Vorstellung, nach Hause zu ihren Eltern zurückzukehren und ganz normal weiterzuleben, war vollkommen unmöglich.
Jinx gab ein leises Bellen von sich, um sie daran zu erinnern, dass er da war.
»Ja, in Ordnung«, sagte sie zu ihm und zwang sich aufzustehen.
Sie würde weitergehen – das war es, was sie tun würde. Sie würde mit Jinx durch die Felder spazieren und nach Hause gehen, und dann würde sie überlegen, was als Nächstes zu tun wäre. Vorsichtig faltete sie den Brief zusammen und steckte ihn wieder in den Umschlag. Sie starrte auf ihren Namen, der durch Angies gerundetes Gekritzel verzerrt wurde, und spürte einen kurzen Anflug von Zorn. Rasch riss sie den Brief in Fetzen, die sie tief in die Ligusterhecke der Brookers warf. Dabei zerkratzte sie sich übel die Hand, doch sie hieß den Schmerz willkommen. Erst als sie Jinx am Feld von der Leine nahm, bemerkte sie, dass sie blutete.
Die Wincantons kamen wie versprochen im August. Eigentlich waren es nur Oenone und ihre Kinder. Sie hatten sehr oft Besuch, und Beatrice wollte nicht unaufgefordert bei ihnen erscheinen. Nach ein paar Tagen wurde sie dann eingeladen. Auf dem Weg war sie voller Erwartungen und versuchte sich einzureden, alles sei noch so wie früher. Das war es auch an den Tagen, wenn sie nur mit Ed und Peter, Angie und Hetty zusammen war. Sie gingen reiten oder schwimmen, oder sie drückten sich einfach im Garten herum und zankten sich darüber, wer beim Krocket schummelte.
Angie und Deirdre, das grobknochige Mädchen, das bei der Weihnachtsfeier gegenüber Beatrice so taktlos gewesen war, waren zu einem Geburtstagspicknick am Strand eingeladen. Beatrice widmete sich an diesem Tag ihrem neuen Hobby – sie machte Fotos mit einer Kamera, die sie sich gekauft hatte.
Aber es gab auch Zeiten, in denen sie spürte, dass sich ihre Beziehung zu den Wincantons verändert hatte. Eines Tages machte sie den Fehler, ohne eine Einladung auf Carlyon Manor zu erscheinen, und sah sich einer Gruppe von jungen Leuten – drei Männern und einem Mädchen – gegenüber, die mit dem Auto aus London gekommen waren. Angie forderte sie halbherzig auf, sich ihnen anzuschließen, und Beatrice bereute es rasch, dass sie darauf eingegangen war. Ed und Peter kümmerten sich nicht um sie, und Angie behandelte sie ziemlich distanziert. Beatrice drückte sich am Rande der Gruppe herum und fühlte sich unbeholfen.
Einen einzigen Lichtblick gab es. Einer der Männer kam näher, als sie den Wagen bewunderte, ein dunkelgrünes, schnittiges Modell.
»Ist er einfach zu lenken?«, fragte Beatrice.
»Wenn du willst, zeig ich dir, was man tun muss«, sagte er und hielt ihr die Fahrertür auf. »Hüpf rein, und ich starte ihn.«
Als der Wagen dann unter ihrer Kontrolle vorwärtsrollte, bekam sie Angst und würgte ihn sofort ab.
»Linke Hand nach unten!«, rief der junge Mann, als sie wieder angefahren waren. »Jetzt gerade.« Sie fuhren die Auffahrt hinunter, und dann, begleitet vom Jubel der anderen, ging es hinaus auf die Straße.
»Hör mal, du machst das prima – für ein Mädchen«, sagte einer der anderen Männer, als sie wieder sicher in Carlyon zurück waren. Ihre Stimmung hob sich.
Dennoch war sie froh, als die Besucher wieder wegfuhren. Ihre Hoffnung, Angie für sich zu haben, wurde allerdings schnell enttäuscht. Ein paar Tage später waren Ed und Angie zu einer Party eingeladen. Und obwohl Beatrice und Peter manchmal im Club Tennis spielten, war die Atmosphäre gedrückt.
Ende August traf endlich der ersehnte Brief von Rafe ein. Sie rannte die Treppe hoch in ihr Zimmer, um ihn allein zu lesen.
Liebe Bea,
es tut mir leid, dass ich so ein nachlässiger Briefeschreiber war und dass wir uns so lange nicht gesehen haben. Ich denke oft an Dich und an Saint Florian. Wie geht es Deinen ehrenwerten Eltern und meiner geheiligten Tante und meinem geheiligten Onkel? Das alles kommt mir vor wie eine andere, weit entfernte Welt. Ich bin jetzt in der Nähe des Hyde Park einquartiert worden. Es ist nicht das, was ich mir selbst ausgesucht hätte, ein bisschen stumpfsinnig, aber alles in allem ist das Leben nicht schlecht. Ich sehe meine
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