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Das Bienenmaedchen

Das Bienenmaedchen

Titel: Das Bienenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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London, abgesehen vom Umsteigen in Paddington. Beatrice war überwältigt von der Größe der Stadt. Die Luft war kalt, aber klar.
    »Es macht sich deutlich bemerkbar, dass sich keiner mehr leisten kann, Auto zu fahren«, sagte Tante Julia.
    Ein Dienstmädchen, das nicht Brown war, öffnete die Tür. Das also war das Londoner Zuhause der Wincantons – ein weißes Gebäude im Regency-Stil mit einem schwarzen Eisenzaun, das in der Queen’s Gate lag. Beatrice wandte sich noch einmal um und winkte ihrer Tante im Taxi. Julia warf ihr eine Kusshand zu, dann fuhr das Taxi davon.
    Beatrice fand sich in einer großen, kühlen Halle mit hoher Decke wieder. Sie begrüßte den Hund Jacky, der irgendwie unsicher wirkte – er war ein Geschöpf vom Land und nun in eine elegante städtische Umgebung verpflanzt. Zur Rechten wand sich ein anmutiger Treppenaufgang aus ihrem Blickfeld heraus. Als Beatrice dem Dienstmädchen ihren Koffer und ihren Mantel übergab, hörte sie laute Stimmen, was sie beunruhigte. Es sollte nur das erste Anzeichen dafür sein, dass etwas nicht stimmte.
    Sie klammerte sich an den Gedanken an Rafe, was ihr ein Gefühl der Sicherheit und Vertrautheit gab. Wie sehr sehnte sie sich danach, ihm nahe zu sein!
    »Es hat niemand für mich angerufen, oder?«, fragte sie das Dienstmädchen.
    »Nein, Miss, ich glaube nicht.«
    In diesem Moment flog hinten in der Halle eine Tür auf, und Angelina stürmte herein. Ihre sonst so gelassenen Gesichtszüge waren wutverzerrt. Dieser Ausdruck wich der Verblüffung, als sie Beatrice sah, die wiederum erstaunt zurückstarrte.
    »Ich hatte keine Ahnung, dass du hier bist«, murmelte Angelina und trat auf sie zu.
    »Bin gerade erst angekommen«, erwiderte Beatrice leise. Rasch drückten sie ihre Wangen aneinander. Angie roch nach Gesichtspuder und teurem Parfüm. Wie erwachsen sie aussah mit ihren scharlachrot geschminkten Lippen und dieser Frisur! Beatrice hatte sich schick gefühlt in ihrem hübschen marineblauen Tageskleid und mit der schlichten weißen Handtasche, doch neben Angie kam sie sich vor wie eine graue Maus.
    »Wann haben wir uns zuletzt gesehen?«, fragte Angie. »Es ist jedenfalls Jahre her.«
    Beatrice war gekränkt. »Im August natürlich. In Carlyon. Hör mal, erinnerst du dich denn nicht an das Picknick, das du und Deirdre veranstaltet habt, und wie schrecklich wir uns alle danach gefühlt haben?«
    »Wirklich? Was war denn passiert?«
    »Ja, was wohl?«, erwiderte Beatrice verwirrt. Machte Angie das absichtlich? »An deinem Geburtstag. Es stimmte etwas nicht mit den Fischpaste-Sandwiches, und wir waren alle furchtbar krank.«
    »Oh, jetzt erinnere ich mich. Scheint eine Ewigkeit her zu sein – vor dem Krieg. Hast du übrigens Deirdre in der Country Life gesehen? Ich kann es nicht glauben: Mit ihrem unscheinbaren Aussehen ist sie die Erste von uns Debütantinnen, die sich verlobt.« Sie packte Beatrice am Arm. »Komm mit, wir suchen Mummy.« Plötzlich senkte sie die Stimme. »Du wirst es nicht glauben, aber sie hat mir gerade erst gesagt, dass du kommen würdest. Ich bin total wütend auf sie. Sie behauptet, sie hätte es vergessen. Vergessen? Nein, sie macht das bewusst. Sie will mich nicht allein lassen.«
    Beatrice folgte ihr und fühlte, dass ihr die Tränen hochstiegen. Warum hatte Mrs Wincanton Angie nicht erzählt, dass sie kommen würde? Und, oh, der Gedanke ließ sie verzweifeln – hatten sie sich deshalb gestritten? Weil sie für ein paar Tage herkam?
    Das seltsame Gefühl, eine Figur in irgendeinem undurchschaubaren Spiel zu sein, ließ sie nicht mehr los.
    »Beatrice!« Mrs Wincanton saß an einem riesigen Esszimmertisch und war umgeben von Pappschachteln in allen Größen in verschiedenen Stadien der Ausweidung. Als sie aufstand, um Beatrice zu begrüßen, rollte ein großes Knäuel Kordel vom Tisch auf den Boden vor Angies Füße. Diese blieb mit verschränkten Armen und verdrießlichem Gesichtsausdruck stehen. Verwirrt von Angies Benehmen ging Beatrice hinüber, hob das Knäuel auf und reichte es Mr Wincanton.
    »Danke sehr, Beatrice. Immer so hilfsbereit.«
    Mrs Wincanton starrte ihre Tochter wütend an. Angie starrte wütend zurück.
    »Meine Damen haben Pakete mit Weihnachtsgeschenken gepackt«, erklärte Oenone, »für kleine jüdische Kinder.«
    »Die eigentlich nicht Weihnachten feiern«, sagte Angie. »Daddy hat sich halb totgelacht, als er davon hörte, Bea.«
    »Dein Vater bringt einen wie gewöhnlich zur Weißglut. Juden müssen

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