Das Bienenmaedchen
eingoss, hielt es nicht für nötig, auch nur aufzublicken.
»Guten Abend allerseits«, sagte er und warf seine Zeitung auf den Sessel, der dem Feuer am nächsten stand und in dem sich, wie Beatrice nun bemerkte, absichtlich niemand niedergelassen hatte. »Ah, der Reisende ist zurückgekehrt, wie ich sehe. Hallo, Peter. Ich hoffe, du hattest eine angenehme Fahrt?«
»Guten Abend, Sir«, murmelte Peter, der aufgestanden war, um seinem Vater die Hand zu geben. »Ja, nicht schlecht.«
»Daddy!« Angie quiekste wie ein kleines Mädchen.
»Hallo, Prinzessin«, sagte er, doch sein Blick verweilte nur kurz auf seiner Tochter. »Ah, Beatrice, oder sollte ich ›Miss Marlow‹ sagen?« Er nahm ihre Hand in beide Hände, und Beatrice spürte, wie sie unter seinem eindringlichen Blick rot wurde. »Und wie geht es deinen Eltern? Gut, hoffe ich? Dein Vater hat mir mehrfach wegen der Verteidigungsanlagen vor Ort geschrieben. Ich muss sagen, ich bin froh, dass sich jemand darum kümmert.«
Schließlich ließ er ihre Hand los und ging hinüber zum Barschrank. »Ein Brandy, Peter?«
»Nein, danke, Sir.«
»Wie war dein Tag?«, murmelte Mrs Wincanton, schien sich jedoch mehr für die Lektüre eines Erste-Hilfe-Handbuchs zu interessieren als für ihren Mann. »Läuft immer noch alles im Land?«
»Endlose Zusammenkünfte und sture Behörden«, antwortete er, spritzte bernsteinfarbene Flüssigkeit in ein Glas, schwenkte sie und nahm einen großen Schluck, als ob es Medizin wäre. »Wenn bestimmte Leute aufhören würden, ihr Revier zu verteidigen, und stattdessen anfingen, das Land zu verteidigen, könnten wir vielleicht einen Weg finden, um Hitler aufzuhalten.«
»Wie frustrierend«, sagte Mrs Wincanton vage und runzelte über irgendetwas in ihrem Buch die Stirn. »Ist das wirklich so bei einer Amputation? Es erscheint mir ein bisschen zu sauber«, sagte sie zu sich selbst.
»Mit welchem Ministerium sind Sie befasst?«, fragte Beatrice Michael Wincanton. Ihre Stimme verriet ihre Nervosität, und sie bedauerte ihre Frage sogleich, weil er sie so durchdringend anstarrte, dass sie das Gefühl hatte, er könnte direkt in sie hineinschauen.
»Im Moment allgemeine Aufgaben beim Kriegsministerium, meine Liebe«, antwortete er leise. »Und vergiss, was ich gerade eben gesagt habe; wir machen Fortschritte. Jetzt erzähl mir von deiner Schule. Bist du glücklich da?«
»Im Großen und Ganzen«, erwiderte Beatrice, die es hasste, wieder zu einem Schulmädchen gemacht zu werden. »Aber … ich glaube, ich möchte gern, dass das Leben anfängt.«
»Es wird schon bald genug anfangen«, sagte er und sah sie durch seine gesenkten Lider an, was sie beunruhigend fand. Er schluckte den Rest seines Drinks hinunter. »Wenn ihr mich jetzt alle entschuldigen wollt – ich habe noch ein wenig Papierkram zu erledigen. Kein Frieden für die Bösen. Oenone, vielleicht ruft später noch jemand für mich an. Bitte sorg dafür, dass der Anruf sofort in mein Arbeitszimmer durchgestellt wird.«
»Natürlich, Liebling«, lautete die matte Antwort.
»Oh, Daddy, auf dem Kaminsims liegt ein Brief von Hetty«, sagte Angie. »Sie will unbedingt nach Hause kommen.«
»Das geht aber nicht«, entgegnete Mr Wincanton. Er ergriff den Umschlag, zog den Brief heraus, überflog ihn rasch und lächelte über irgendeine Formulierung. »Nein«, sagte er und legte den Brief zurück. »Deutschland kann jederzeit zuschlagen. In Devon bei ihren Cousinen ist es sicherer. Mach dir keine Sorgen, Angie, Nanny wird sich um sie kümmern.«
»Ich hab mich schon gefragt, wo Hetty ist«, sagte Beatrice, als Mr Wincanton den Raum verlassen hatte. »Geht es ihr gut?«
»Wir haben nichts Gegenteiliges gehört«, erwiderte Oenone. »Aber sie haben, glaube ich, geschrieben, dass es in der Gegend ein paar Fälle von Masern gibt.«
Beatrice bekam ein eigenes kleines Zimmer hinten im zweiten Stockwerk des Hauses. Der Kamin war nicht angezündet. Als sie zitternd ins Bett schlüpfte, klopfte es an der Tür.
»Bist du wach?«, fragte Angie, öffnete die Tür einen Spaltbreit und spähte umher. Dann schwebte sie herein, eingewickelt in Lochstickerei, und hockte sich wie ein entlaufener Engel mit hochgezogenen Knien auf das Bett. »Meine Güte, ist das kalt hier drin!«
Sie runzelte die Stirn, und Beatrice betrachtete sie nervös.
»Ihr könnt mir nichts vormachen«, sagte sie ernst. »Ich weiß, dass Mummy und du etwas ausgeheckt habt. Raus damit!«
Beatrice fuhr entrüstet hoch. »Ich
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