Das Biest in ihm (German Edition)
Boden verstreut. Sie nahm nur das Wenige mit, was noch in den Schubladen war. Ihr Rucksack war schnell voll. Es musste reichen. Auf dem Weg zum Bad knirschte es unter ihren Füßen. Der Kerl hatte alles zer trümmert , was an Bildern und Deko herumgestanden hatte . Die Badezi m mertür war aus den Angeln gerissen, der Duschvorhang lag auf dem Boden. Quer über den Spi e gel zog sich in spitzer Schrift : Zahl. Mach dich bereit, Nina.
Der abgebrochene Lippenstift lag am Waschbeckenrand. Daneben lag eine Münze. Die Eins starrte ihr entgegen. Eine Eisklaue packte ihren Magen, drückte ihn zusammen. Sie erbrach sich, b e kam keine Luft mehr. Hinter ihr knirschte Glas.
„Nina, was ist?“
Vincent hielt ihren Kopf. Sie musste immer noch würgen. Alles in ihr war wund, starb vor Angst. Er wusch ihr Gesicht, führte sie aus dem Bad. Lucas fegte die Scherben und P a pierfetzen vom Sofa.
„Setz dich und rede.“
Es kam kein Ton aus ihr.
Vincent hielt sie fest im Arm, Lukas kniete sich vor sie, nahm ihre Hände. „Wer war das?“
„Egmont.“
Vincent knurrte. Lucas schüttelte den Kopf. „Warum?“
„Er hat mich bedroht, am Tag der Versammlung mit Heinrich.“
Vincent hörte auf zu atmen.
„Ich habe mich gewehrt, ziemlich heftig. Dann bin ich weggerannt. Er hat gebrüllt, dass er mich kriegen wird. Dass mich keiner vor ihm retten kann.“
Vincent war schlohweiß im Gesicht. „Es ist meine Schuld.“ Er zog sie auf seinen Schoß, drückte sie an sich.
„Weil du zeitgleich mit Egmonts Trost-Hasen gepoppt hast?“ Lucas Lachen klang rau. „Wir waren alle nicht bei ihr. Dabei wussten wir, was für ein Schwein Egmont ist . Wir hätten längst eingreifen müssen.“
Egmonts vor Schmerz und Hass verzerrtes Gesicht stand ihr ständig vor Augen.
„Warum zum Teufel hast du nichts gesagt?“
Sie konnte nur den Kopf schütteln. Angst, Scham, vielleicht hatte sie es ve r drängt. Was wusste sie denn? Sie hatte sich bei ihren Brüdern immer sicher gefühlt. Seit ihrer Kin d heit war es undenkbar, dass irgendetwas diesen Schutzwall aus Monstern durchbrechen kön n te.
Lucas tippte eine Nummer. „Wo steckst du? Unterwegs? Das hast du schon vor ner halben Stunde g e sagt. Wo kommst du her, verdammt noch mal? Beeil dich gefälligst!“
„Hektor?“
Lucas nickte. „Der ist fällig, wenn er hier auftaucht.“
„Ich will ihn nicht sehen.“
Lucas stand auf. „Dann ab mit euch. Ich klär den Rest mit ihm. Vincent? Weich keinen Schritt von ihrer Seite.“
Vincents bitteres Lachen klang nach Schuld. Sie hatte sie ihm nicht aufzwängen wollen.
Den ganzen Weg zu ihm sagte er kein Wort. Auch nicht, als sie die Treppen zu seiner Wohnung hinaufgingen. Seine Kiefermuskeln zuckten und als er au f schließen wollte, hatte er Mühe, das Schloss zu treffen. Nina nahm ihm den Schlüssel aus der zitternden Hand. „Es war nicht deine Schuld.“
Er wich ihrem Blick aus.
„Sieh mich an. Ich bin allein, wenn du schweigst und an mir vorbeisiehst.“ Sie brauc h te seine Nähe, nicht seine Schuld. Wie sollte sie allein mit ihrer Angst fertig werden?
„Wie kannst du mich lieben?“
„Es ist ganz leicht.“ Sie lehnte sich an seine Brust, wickelte seine Arme um sich. „Ich würde dich auch als Biest lieben.“ Niemals würden seine Tieraugen sie mehr verängstigen können, nicht, nachdem E g monts Hass-Blick sie getroffen hatte . „Ich kann dich jetzt nicht trösten, Vincent. Ich brauche selbst Trost.“ Seine Schuldgefühle mussten warten, bis Egmont für die Ewigkeit vom Erdboden ve r schwunden war.
Vincent schloss sie fest in die Arme. „Verzeih. Du hast recht.“ Er hob sie hoch, trug sie rein und schubste die Tür zu. „Willst du etwas essen oder trinken? Willst du schlafen? Ich würde mich neben dich setzen, dich beschü t zen. Du brauchtest keine Angst zu haben.“
„Duschen?“
„Okay.“ Vincent nahm sie an die Hand, führte sie ins Bad. Er drehte die Heizung bis zum Anschlag, ließ das Wasser an. „Arme hoch.“
„Du bleibst hier?“
Vincent nickte. Er zog ihr das Top über den Kopf, streifte ihre Jeans hin unter , verzog keine Miene, als ihre Unterwäsche auf die Fliesen fiel. Dann zog er sich aus. Die Angst steckte ihr noch in den Knochen. Trotzdem bot Vincent einen fantastischen A n blick. Er sah an ihr vorbei.
„Ich bleibe bei dir, bis Egmont metertief im Wald verscharrt liegt.“
„Auch in der Dusche?“ Sie war aus Glas.
Er hätte sie nicht aus den Augen gela s sen. Er schob sie vor sich her
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