Das Biest in ihm (German Edition)
dich doch nicht.“ Er hatte sie gerettet. Sie konnte ihm vertrauen. Es war gut. Als sie über seine verkrampften Hände streichelte, die das Lenkrad viel zu fest umschlossen, sah er auf.
„Es ist alles so krank.“
Sie legte seine Hand an ihre Wange, küsste sie. Die Müdigkeit sprang sie an und am liebsten hätte sie wi e der in seinem Arm geschlafen.
„Du kannst mir nur dann gefahrlos nah sein, wenn ich mich vor Erschöpfung nicht mehr auf den Beinen halten kann, oder wenn ich vor Angst um dich ve r gehe.“
„Fahr mich zu Marcel.“ Ihre Augen fielen zu.
„Komm wieder auf meinen Schoß.“ Er half ihr über die Mittelkonsole. „Pass auf de i nen Fuß auf.“
„Ist mir egal. Ich will nur zu dir.“
Als sie sich an ihn schmiegte, seufzte er, strich ihr übers Haar und hielt sie fest.
Oben in Marcels Wohnung waren alle Fenster beleuchtet. Der Transporter stand vor dem Haus und Vincent war zu müde, auch nur die Autotür zu öffnen. Nina lag schl a fend in seinem Arm, dreckverschmiert und darunter leiche n blass. Er hatte noch nie so viel Angst um einen Menschen gehabt.
„Sind wir da?“
„Du bist wach?“
Nina rieb sich die Augen. „Nicht wirklich. Kommst du mit hoch?“ Sie schlängelte sich von seinem Schoß und humpelte auf die Straße.
„Ich lass dich doch nicht allein in den fünften Stock gehen. Du kannst kaum auftr e ten.“ Er hob sie hoch und drückte mit der Hüfte die Beifahrertür zu. Eine Frau konnte in se i nen Armen in Sicherheit sein. Dieses Gefühl kannte er bisher nicht.
Oben unter dem Giebel wurde ein Fenster aufgerissen und Marcel winkte runter. „Da seid ihr ja! Alles gut?“
Vincent nickte. Jetzt war alles gut. Wenn es so bliebe, wäre die Welt ein Ort zum Ta n zen und Singen.
Marcel sah hinter sich. „Jean, geh runter und hilf Vincent mit Nina.“
Kaum hatte er die Tür aufge d rückt, polterte ihnen auf der Treppe Jean entg e gen.
„Ich will dich nicht hergeben.“
Nina schmiegte ihr Gesicht an seinen Hals. „Dann tu es nicht.“
„Mädchen! Ich hab mir fast in die Hosen gepinkelt vor Angst um dich!“ Jean streckte seine Arme nach ihr aus.
Vincent wollte sie nicht loslassen. Nie wieder. Er stolperte. Seine Beine waren schwer wie Blei.
„Ich mach schon.“ Jean nahm ihm Nina ab, als wöge sie nichts. „Komm mit, Junge. Du siehst schlimmer aus als sie.“
In der Tür stand Marcel, fast so blass wie Nina. Er nahm sie in den Arm und ließ sie e i ne Ewigkeit nicht mehr los. „Renn noch einmal allein durch die G e gend und ich reiße dir persönlich den Kopf ab!“
„Anne war dabei, aber dann ist sie fortgerannt.“ Ihre Augen wurden weit vor Schreck. „Ich muss sie anr u fen! Vielleicht ist ihr was passiert.“
„Sie hat dich im Stich gelassen.“
Nina achtete nicht auf ihren Bruder. „Ihr Auto war weg. Oder?“
Vincent nickte. Sie waren allein auf dem Parkplatz gewesen.
„Klär uns auf, was uns entgangen ist.“
Ein Schlag auf den Rücken lotste Vincent ins Wohnzimmer. Nina rollte sich auf dem Sessel zusammen wie eine Katze. Die Angst um sie saß ihm immer noch im Genick. Es war der alte Graue gewesen. Er hatte den Geruch sofort erkannt. Jean bombardierte sie mit Fragen. Als sie zu zittern anfing, verbot ihm Marcel endlich den Mund.
„Siehst du nicht, wie fertig sie ist? Leg sie auf die Couch. Sie kann bei mir schlafen.“ Er deckte sie zu und winkte Jean und Vincent raus.
Leise schloss er hinter ihnen die Küchentür. „Erzähl du.“
Den zurechtgerückten Stuhl übersah Vincent. Es war noch zu viel Flucht in ihm, um sitzen zu können. Er wurde nicht unterbrochen. Die Mienen der Brüder wurden immer ernster, doch sie schwiegen beharrlich, bis er geendet hatte .
„Vater?“ Das Geräusch, das Jeans Fingernägel auf seinem unrasierten Kinn produzier-ten, stellte Vincent die Nackenhaare hoch.
„Jedenfalls ist er alt und grau. Ich hatte schon einmal das Vergnügen mit ihm.“ Sein G e ruch hatte an Nina gehaftet. Er war ihr nah gewesen.
Marcel tigerte auf und ab. „Egal, wir müssen ihn erledigen. Haltlos, wie er ist, wird er früher oder später zur Bedrohung.“
„Oder ist es längst.“ Was auch immer sich Jean aus den Zähnen gepult hatte , er schnipste es hinter sich. Marcel verdrehte die Augen, grinste dann Vincent an. „Danke, Mann. Ob Vater oder nicht. Es hätte für sie übel ausgehen kö n nen.“
„Und alles mit nem Skoda.“ Jean lachte. „Wo ist deine Yuppie-Karre?“
„Ausgeliehen.“
Mit dem
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