Das Biest in ihm (German Edition)
Heinrich schlenderte zum Sozius. Dem Summen nach hatte n sich die Fliegen wieder eingefunden. Nina sah nicht hin. Mit einem Lappen in der Hand kam er z u rück.
„Hier. Das Zeichen der Überläufer.“
Die tätowierte Klauenhand prangte schwarz auf einem blutigen Hautlappen. Nina schluckte den Brechreiz runter. Vor diesem Sadisten würde sie sich keine Blöße geben.
Mit ruhiger Hand gab Nathan Heinrich den Fetzen zurück. Ninas Hände zitterten. Sie hatte sie hinter dem Rücken ineinandergekrallt .
„Eine Revolution?“
Heinrich legte den Kopf schief. „Oder ein offener Krieg. Ist alles schon da gewesen und begonnen hat es immer gleich.“
„Ein Einzelgänger, der rekrutiert und mit Anarchie wirbt.“
Heinrich nickte. „Du siehst, wir teilen uns ein Problem.“
„Nina, hältst du bitte mal?“
Nathan reichte ihr seine Krawatte, die silbernen Manschettenknöpfe mit dem kelt i schen Lebensbaum folgten. Er hatte sie schon getragen, als er sie und ihre Brüder zu sich g e nommen hatte . Ohne den Blick von Heinrich zu wenden, zog er Sakko und Hemd aus und drehte sich langsam um die eigene Achse. Die breiten Striemen auf seinem Rücken hatte Nina noch nie vorher gesehen.
„Keine schwarze Klaue.“
„Für so dämlich habe ich dich auch nicht gehalten, Nathan. Aber ich will deinen Ne u en sehen.“
„Er ist nicht tätowiert.“
Langsam drehte sich Heinrich zu ihr. „Nicht?“
„Nein. Ich habe seinen Rücken gesehen. Auch seine Brust. Keine Tattoos.“
Heinrich wechselte einen Blick mit Nathan. „Seine Hüterin, sagst du?“ Nathan nickte.
„Was hast du noch von ihm gesehen?“
„Alles. Keine Tattoos.“ Sie sah ihm gerade in die Augen. Er musste ihr glauben. So au f gewühlt, wie Vincent jetzt war, würde er es nicht über sich erg e hen lassen, von diesem Tier abgesucht zu werden. Sie hatte es Nathan gesagt: Sie würde dafür sorgen, dass sich Vincent kontrollierte. Das hieß auch, Risiken von ihm fernz u halten.
„Nina, geh und sag allen Bescheid, dass mein ehemaliger Lehrer den Nach t menschen die Ehre gibt.“
„Der da ist dein Lehrer?“
„Gewesen.“ Nathan erwiderte Heinrichs höhnisches Grinsen mit Kälte. „Wir hatte n Meinungsverschiedenheiten, was den Führungsstil der Gemeinschaft a n ging. Ich war ihm zu nachsichtig. Seltsam, nicht?“
Er streckte die Hand nach seinen Kleidern aus.
„Ich würde sie dir gern vor die Füße werfen.“
Nathan lächelte. „Ich weiß.“
Stück für Stück reichte sie ihm Hemd, Sakko, Krawatte und half ihm zum Schluss bei den Manschette n knöpfen. Nathan beobachtete sie dabei.
„Geh jetzt, Nina. Aber heute Abend möchte ich dich in meinem Büro sehen. Wir h a ben zu reden.“
Heinrichs heiseres Lachen begleitete sie bis in den Korridor.
„Hast du dich beruhigt?“
Tristan hielt ihm einen Becher Kaffee hin. Als Vincent ihn zum Mund führte, verschü t tete er die Hälfte. Vladimir hatte seine Hände und Füße mit Kabelbindern gefesselt. Sein Ausrasten hatte ihm nicht geholfen. Die Dinger hatte n sich nur tiefer in sein Fleisch g e bohrt.
„Tut mir leid, Mann.“ Der Russe wischte den heißen Kaffee von Vincents Brust. „Aber manchmal hilf nur eine Auszeit.“
An dieser Auszeit schluckte er immer noch. Der zweite Versuch, d en Kaffee zu tri n ken, gelang besser. Diesmal lief ihm das Zeug nur übers Kinn.
„Was ist schlimmer?“ Vladimir tupfte ihm mit seinem benutzten Taschentuch im G e sicht herum. „Die Wut oder die Scham?“
„Beides.“
„Ging mir auch so. Aber das gibt sich.“ Der aufmunternde Schulterschlag verschwappte den Rest. „Nathan hetzt durch deine Ausbildung, weil da dra u ßen böse Dinge abgehen. Er will dich integrieren, bevor du zum Überläufer wirst.“
Er hielt ihm seinen Becher an die Lippen und flößte ihm behutsam den Kaffee ein. In den Schwaden erschien Nina. Sie sah furchtbar aus. Kreideweiß und zittrig, als würde sie sich übergeben müssen.
„Ach du meine Scheiße!“ Tristan eilte ihr entgegen , aber Nina winkte ab.
„Ich muss mit Vincent reden.“ Ihr Blick glitt über seine Fesseln und er ve r fluchte den Russen für diese Tat.
„Glaub ja nicht, dass ich euch zwei noch mal allein lasse.“ Tristan stellte sich neben ihn. Nina zog ihn zur Seite und nahm Vincents Hände in ihre.
„Hör mir zu. Nathan hat ein Ultimatum gestellt. Dir und mir. Versage ich noch einmal, tötet er dich.“
Die Wut, die er runtergekämpft hatte , quoll wieder hoch. „Dann lass uns fort.“
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