Das Bild
seine Mutter verschwunden war und sein Vater mit
dem Prügeln so richtig losgelegt hatte.
Er hatte am Kiosk eine Zeitung gekauft und sie im Fahrstuhl, auf
dem Rückweg in sein Zimmer, hastig überflogen. Es stand nichts
über Peter Slowik darin, aber das war für Norman nur eine geringfügige Erleichterung. Klopfers Leichnam war möglicherweise nicht
mehr rechtzeitig für eine Meldung in der Frühausgabe gefunden
worden; möglicherweise lag er immer noch dort, wo Norman ihn
zurückgelassen hatte (wo er glaubte, daß er ihn zurückgelassen
hatte, verbesserte er sich; es war alles ziemlich verschwommen), im
Keller hinter den Heißwasserboiler gequetscht. Aber Typen wie
Klopfer, die eine Menge Arbeit im öffentlichen Dienst machten und
eine Menge Menschenfreunde zu Freunden hatten, blieben nicht
lange unentdeckt. Jemand würde sich Sorgen machen, ein anderer
Jemand würde in seinem gemütlichen kleinen Kaninchenloch in
der Beaudry Street nach ihm suchen, und schließlich würde ein
weiterer Jemand eine ausgesprochen unangenehme Entdeckung
hinter dem Heißwasserboiler machen.
Und tatsächlich, was gestern morgen nicht in der Zeitung
gestanden hatte, stand jetzt darin, auf Seite eins des Lokalteils:
STÄDTISCHER SOZIALARBEITER IN SEINEM HAUS BRUTAL ERMORDET. Aus dem Artikel ging hervor, daß
Traveller’s
Aid nur eine der ehrenamtlichen Tätigkeiten von Klopfer gewesen
war… und er war nicht gerade arm gewesen. Laut der Zeitung
hatte seine Familie - deren letzter Sproß Klopf gewesen war - einiges auf der hohen Kante. Die Tatsache, daß er um drei Uhr nachts
am Busbahnhof arbeitete und durchgebrannte Ehefrauen zu den
Huren von Daughters and Sisters schickte, lieferte für Norman nur
den Beweis, daß der Mann entweder nicht alle Tassen im Schrank
hatte oder sexuell verkorkst sein mußte. Wie auch immer, er war der
typische wohltätige Mistkäfer gewesen, hatte hier und da gearbeitet
und war wahrscheinlich an den meisten Tagen so sehr damit
beschäftigt gewesen, die Welt zu retten, daß er nicht dazu gekommen war, seine Unterwäsche zu wechseln. Traveller’s Aid, die
Heilsarmee, Telefonseelsorge, Bosnienhilfe, Rußlandhilfe (man sollte
meinen, ein Judenbub wie Klopf hätte wenigstens genug Verstand
gehabt, das auszulassen; von wegen, und dazu zwei oder drei
»Frauenangelegenheiten«. Auf letztere ging der
Zeitungsartikel
nicht näher ein, aber eine davon kannte Norman bereits: Daughters
and Sisters, auch unter den Namen Lesbo Babes in Toyland
bekannt. Am Samstag sollte ein Gedenkgottesdienst für Klopfer
stattfinden, aber die Zeitung nannte es einen »Gedächtniskreis.«
Heiliger Gott im Himmel.
Norman wußte, Slowiks Tod hätte mit jeder Sache zu tun haben
können, für die der Mann gearbeitet hatte … oder mit keiner. Die
Cops würden auch sein Privatleben unter die Lupe nehmen (immer
vorausgesetzt, daß ein Arbeitstier wie Klopfer überhaupt ein Privatleben hatte), und sie würden auch die Möglichkeit nicht ausschließen, daß es sich um eines der zunehmend populären »Verbrechen ohne Motiv« handelte, von einem Psycho begangen, der
zufällig hereinspaziert war. Sozusagen auf der Suche nach einem
Häppchen.
Das alles freilich würde für die Huren von Daughters and
Sisters weitgehend ohne Bedeutung sein; Norman wußte das so
genau, wie er seinen eigenen Namen kannte. In seinem Job hatte er
jede Menge Erfahrungen mit Frauenhäusern sammeln können,
und es wurden im Lauf der Jahre immer mehr, in denen die Leute,
die Norman als New-Age-Körnerfresser bezeichnete, in zunehmendem Maße Einfluß auf das Denken und Handeln der Leute bekamen. Den New-Age-Körnerfressern zufolge kam jeder aus einer
zerrütteten Familie, jeder unterdrückte das Kind in sich, und jeder
mußte sich vor den gemeinen, bösen Leuten da draußen hüten, die
die Stirn besaßen und versuchten, durchs Leben zu gehen, ohne zu
winseln und zu heulen und jeden Abend zu einem Zwölf-StufenProgramm zu laufen. Die Körnerfresser waren Arschlöcher, aber
manche - und dafür waren Frauen bei Institutionen wie diesem
Daughters and Sisters häufig die besten Beispiele-konnten extrem mißtrauische Arschlöcher sein. Mißtrauisch? Scheiße, bei ihnen
bekam der Ausdruck »Bunkermentalität« eine vollkommen neue
Bedeutung.
Norman hatte gestern fast den ganzen Tag in der Bibliothek verbracht und einige interessante Dinge über Daughters and Sisters
herausgefunden. Als absoluter Knaller entpuppte sich, daß die Leiterin, Anna Stevenson, bis 1983 Mrs. Klopfer gewesen
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