Das Bildnis der Novizin
steinhart, und die Wehen durchschnitten ihren Körper wie glühende Messer.
Es war kurz nach der Nona am siebenundzwanzigsten August, und es war so heiß, dass sie kaum atmen konnte.
»Hilf mir, Maria, Muttergottes«, rief sie, »hilf mir!«
Die kleine Novizin eilte als Erste an ihr Bett.
»Rosina!« Sie packte die kleine Hand des Mädchens. »Rosina, bitte hol Schwester Pureza.«
Schwester Pureza trat schweigend in die Kammer, wusch sich die erdigen Hände in einem Becken und legte einen frisch geschnittenen Bund Petersilie in eine Wasserschale und stellte sie zu den anderen Kräutern ins Regal. Sie trocknete sich an einem sauberen Tuch ab und befahl Rosina, den großen Holzbottich mit heißem Wasser aus der Küche zu füllen. Die Alte schlug Lucrezias Rock zurück und tastete zwischen ihre Beine. Ihr Muttermund hatte angefangen sich zu öffnen.
»Steh auf, Schwester Lucrezia«, befahl die Alte, ergriff Lucrezia beim Ellbogen und zog sie in eine sitzende Position. »Das Kind kommt, du musst ihm dabei helfen.«
Lucrezias Augen waren dunkelblau, das Weiße von feinen, geplatzten roten Äderchen durchzogen.
»Ich weiß nicht, ob ich kann.« Sie schlang einen Arm um die Schultern der alten Nonne und schwang die Beine aus dem Bett.
»Rosina, du stützt sie auf der anderen Seite«, fuhr Schwester Pureza das Mädchen an, das mit einem Eimer heißes Wasser auftauchte, den sie in den Holzbottich leerte. »Und jetzt geh«, befahl sie Lucrezia. »Geh.«
Lucrezia schleppte sich durch die Krankenkammer, hin und her, hin und her. Dabei ging die Sonne allmählich hinter der Westmauer unter. Sie keuchte, sie stöhnte. Als ihr Schwester Pureza schließlich erlaubte, sich wieder hinzulegen, fiel sie kraftlos auf ihr Lager.
Rosina brachte ihr eine Schale Fencheleintopf. Ihr Mund war ganz trocken vom Weinen, ihr Körper schwach und zittrig.
»Ich kann nicht«, keuchte sie. »Es tut mir leid«, sagte sie in Richtung der alten Nonne, die ihr den Rücken zukehrte. »Ich kann nicht.«
»Spar dir den Atem. Iss.«
Lucrezias Wehen dauerten bis in die Nacht an. Es dauerte länger, als sie je gedacht hätte, es ertragen zu können. Spinetta kauerte vor der Tür zur Krankenkammer, und Lucrezia rief zweimal nach ihr. Aber ihre Schwester antwortete nicht.
»Bitte, holt Spinetta herein«, bettelte Lucrezia. In dem Monat seit ihrer Ankunft im Kloster hatte sie Spinetta nur zweimal gesehen und beide Male hatte sich diese geweigert, etwas zu sagen, ja sie überhaupt anzuschauen. »Ich muss sie sehen.«
»Rosina genügt. Mehr Hilfe brauchen wir nicht«, entgegnete Schwester Pureza barsch.
Die alte Nonne nahm ein Klümpchen Fett, dazu ein paar Tropfen Zitronenöl und rieb sich damit die Hände ein. Dann griff sie zwischen Lucrezias Schenkel und massierte die bis zum Zerreißen gespannte rosa Haut.
»Mein Gott!«, kreischte Lucrezia. Ihr Herz raste, ihr Atem kam stoßweise, die Schmerzen wurden unerträglich, mehr als unerträglich.
»Jetzt!«, rief Schwester Pureza. »Jetzt pressen! Das Kind kommt.«
Rosina hielt Lucrezias Beine in die Luft. Ein dunkel behaarter Kopf erschien zwischen ihren Schenkeln.
»Pressen!«, befahl Schwester Pureza. »Pressen!«
Lucrezia schrie. Ihre Schreie hallten durch die Nacht und erreichten die Ohren der zitternd in ihren Betten liegenden Nonnen. Mit einem letzten heftigen Schieben entließ Lucrezias Körper das Kind, das in ein Handtuch in den wartenden Armen von Schwester Pureza glitt.
Schwester Pureza griff nach einem Messer und durchtrennte die dicke Nabelschnur, die Kind und Mutter miteinander verband.
»Ist es ein Junge?« Lucrezia hatte kaum noch genügend Kraft für diese einfache Frage. Als sie keine Antwort erhielt, begann sie zu jammern. »Was ist? Stimmt was nicht mit meinem Jungen?«
Schwester Pureza nahm den Säugling und warf einen Blick zwischen seine Beine. Ja, da war das kleine, lilafarbene Skrotum und der winzige Penis. Sie drehte ihn um, packte ihn bei den Füßen und ließ ihn mit dem Kopf nach unten hängen. Dann gab sie ihm zwei Schläge auf den Rücken und zwei auf den Po. Er hustete und spuckte dicken Schleim aus seinen Lungen. Dann begann er laut zu schreien.
»Gott sei Dank«, weinte Lucrezia. »Danke, allmächtiger Vater.«
»Es ist ein Junge«, sagte die Hebamme ruhig. Sie wusch den Knaben im warmen Wasser des Bottichs, wusch Schleim und Blut ab und ließ ihre Fingerspitzen über das eigenartige Muttermal auf seiner linken Pobacke wandern. Sie rieb ihn mit dem Zipfel
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