Das Bildnis der Novizin
wirst sehen.«
Mit diesen Worten ging sie und machte die Tür hinter sich zu.
Lucrezia blieb allein zurück. Weinend richtete sie ihren Blick auf das hölzerne Kruzifix an der Wand.
»Jesus Christus, Heilige Maria, Muttergottes«, rief sie in die rauchgeschwängerte Dunkelheit. »Beschützt meinen Sohn, bis er wieder bei mir ist. Ich flehe euch an: Wacht über meinen Sohn.«
Sie wartete, ließ sich von der Dunkelheit einhüllen. Dann flüsterte sie den Namen des Knaben, damit die Engel im Himmel und Jesus Christus und die Jungfrau wussten, dass er ihr Kind war, ihres und Filippos.
»Filippino. Beschützt Filippino und bringt ihn zu mir zurück. Jesus, Maria, hört ihr mich?«
Sie blickte zum Kruzifix an der Wand, doch ihr schien, als würde selbst Christus in seinem Leid sich von ihr abwenden.
Am nächsten Morgen suchte Lucrezia vergeblich nach Mitleid in Schwester Purezas grauem Gesicht. Die Alte weigerte sich jedoch, das Kind auch nur zu erwähnen. Rasch wechselte sie die Auflage zwischen Lucrezias Beinen, brachte ihr eine warme Brühe und drängte sie, etwas zu essen.
»Bitte, ich will den Prokurator sehen«, bat Lucrezia, nachdem sie ein paar Löffel Suppe zu sich genommen hatte und sicher war, dass von der alten Nonne keine Hilfe zu erwarten war. »Ich will beichten. Ich will meine Sünden beichten.«
Die alte Nonne brachte den Prokurator nach Nona zu ihr. Lucrezia wartete, bis sie mit ihm allein war, dann packte sie ihn bei den Händen und zog sein Ohr an ihre Lippen. Sie hatte Mühe, das Nötige zu sagen, ohne in Schluchzen auszubrechen.
»Wisst Ihr, dass man mir mein Kind weggenommen hat?« Sie konnte in seinen Augen lesen, dass er es bereits wusste.
»Und Ihr habt nichts dagegen unternommen? Ihr wusstet es und habt es zugelassen?« Aufschluchzend hämmerte sie mit den Fäusten an die Brust des Prokurators, warf den Kopf wild hin und her. »Bruder Piero, bitte, Ihr dürft nicht zulassen, dass der Generalabt mir das antut.«
Fra Piero fing Lucrezias schmale Handgelenke ein und hielt sie fest.
»Es tut mir leid, aber ich habe keine wirkliche Macht im Orden«, gestand er beschämt. »Wenn ich gegen die Anweisungen des Generalabtes handle, werde ich meines Postens enthoben und dann nütze ich dir gar nichts mehr.«
»Nein!« Lucrezia riss sich von ihm los und ließ sich aufweinend in die Kissen zurückfallen. »Ihr wart Zeuge, als wir unser Ehegelöbnis ablegten, Ihr wisst, dass dies kein uneheliches Kind, kein Bastard ist. Bitte, Bruder Piero, bitte lasst mich jetzt nicht im Stich.«
Sie holte tief Luft. Eine unbekannte Wut erfüllte sie. Ihr schönes Gesicht verzerrte sich.
»Sagt Filippo, dass sie mir unseren Sohn weggenommen haben«, befahl sie zornig. »Sagt ihm, er soll sich an seine Freunde wenden. Seine mächtigen Freunde.«
Lucrezia sah Schwester Pureza in der Tür auftauchen. Rasch faltete sie die Hände und tat, als würde sie ihre Beichte beenden. Der Prokurator machte mit dem Daumen ein Kreuzzeichen über ihr.
»Ihr werdet es tun, Piero, nicht wahr?«, zischte sie ihm nach, als er sich zum Gehen wandte. »Ihr werdet es tun!«
Schwester Pureza folgte ihm mit hängenden Schultern und traurigem, versteinertem Gesicht, als er die Krankenstation verließ. Sie nickten einander zu, doch bevor Fra Piero auch nur ein Wort herausbrachte, warf die alte Frau einen unbarmherzigen Blick zurück in das Krankenzimmer, in dem Lucrezia lag.
»Ihr habt sie ermüdet«, sagte sie barsch. »Sie braucht Ruhe, um wieder zu Kräften zu kommen.«
Dann machte sie die Tür fest hinter sich zu und ließ ihn allein im Garten stehen.
Fra Piero machte sich sofort auf den Weg zum Stefansdom. Filippo stand in der Kapelle vor seiner tanzenden Salome und tupfte Weiß auf ihr duftiges Gewand.
»Du bringst Neuigkeiten?« Die Kutte des Mönchs starrte vor Schmutz, und er benötigte dringend ein Bad.
»Komm, gehen wir ein Stück«, sagte Fra Piero mit einem Blick auf die Arbeiter. Fra Diamante winkte ihm vom Gerüst herunter zu, Giorgio und Antonio nickten, und der junge Marco war damit beschäftigt, mit seinen schmalen, fast mädchenhaften Händen zarte weiße Wolkenschleier auf den Himmel über dem gemarterten Stephanus zu malen. »Ich muss dich allein sprechen.«
Die beiden Mönche eilten aus der Kapelle. Als sie das Hauptschiff erreichten, blieb Fra Filippo stehen und schaute den Prokurator besorgt an.
»Ist etwas passiert? Ist Lucrezia etwas zugestoßen?«
»Lucrezia geht es gut. Ich war gerade im Kloster«,
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