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Das Bildnis der Novizin

Titel: Das Bildnis der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Albanese Laura Morowitz Gertrud Wittich
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Lucrezias Rückkehr ins Kloster erreichte Fra Piero auf dem Rückweg nach Prato.
    Er war vierzehn Tage in Lucca gewesen, und sein erster Weg führte ihn direkt zum Kloster Santa Margherita, wo ihn die Äbtissin steif und wichtigtuerisch empfing. Es war unfassbar stickig in ihrem Büro, und ihre kleinlichen Klagen und Nörgeleien gingen ihm mehr und mehr auf die Nerven. Fra Piero fragte sich unwillkürlich, wie es Filippo zwei Jahre lang als Kaplan ausgehalten hatte. Er war erst seit wenigen Monaten Klosterkaplan, und schon jetzt hatte er seine Pflichten gründlich satt.
    »Schwester Lucrezia ist hochschwanger bei uns erschienen und hat um Aufnahme gebeten«, erklärte die Äbtissin und kniff dabei auf eine Weise die Augen zusammen, dass Fra Piero den Eindruck hatte, sie könne ihn nicht richtig erkennen. »Was sollen wir mit ihr tun, Bruder? Der Maler hat große Schande über uns gebracht, andererseits ist es unsere Christenpflicht, einen reuigen Menschen, der Schutz und Zuflucht bei uns sucht, nicht abzuweisen.«
    Er nickte bedächtig. »Ich werde selbst mit ihr sprechen«, erklärte er. »Ich werde zuerst ihr und dann den anderen Schwestern die Beichte abnehmen.«
    Der Prokurator fand Lucrezia auf einer Pritsche in der Krankenstation, die Füße auf ein Kissen gebettet. Ihr Bauch wölbte sich gewaltig, ihr Gesicht war bleich und geschwollen.
    »Bruder Piero.« Lucrezia lächelte schwach. Er war erleichtert, als er ihren doch recht kräftigen Händedruck spürte. »Ihr wart Zeuge, als wir unsere Gelübde ablegten«, sagte sie mit trockenen Lippen. Schwester Pureza tauchte hinter dem Prokurator im Türrahmen auf. Lucrezia zog den Mann näher zu sich heran und flüsterte: »Wenn ich sterbe, werdet Ihr mir doch die letzte Ölung erteilen? Und bitte versprecht mir, mein Kind nicht mit dem Stigma des Bastards aufwachsen zu lassen!«
    »Es wird schon gut gehen«, tröstete der Prokurator und bettete ihre Hand auf die Decke. »Du musst beten und tapfer sein, Lucrezia. Bei Schwester Pureza bist du in guten Händen.«
    Er nahm Lucrezia die Beichte ab, gewährte ihr Absolution und schlug ein Kreuzzeichen auf ihrer Stirn. Bevor er ging, machte er noch bei Schwester Pureza Halt. Die Sache mit Lucrezia schien ihr sehr nahe zu gehen.
    »Schwester Pureza, ich bitte dich, denk daran, dass viele Geheimnisse das Schicksal einer jungen Frau beeinflussen können.« Er war überrascht, als er sah, wie sich die Züge der Nonne bei seinen Worten verhärteten.
    »Ihr vergesst, dass ich eine alte Frau bin. Ich habe ein langes Leben hinter mir«, entgegnete sie barsch.
    Der Prokurator erbleichte.
    »Die Welt ist voller Schmerzen, Bruder«, fuhr sie scheinbar ungerührt fort. »Zu viel Mitleid würde die Novizin nur verweichlichen. Sie muss jetzt stark bleiben.«
    Fra Piero musterte die alte Nonne forschend. Er war sich sicher, dass sie nicht wusste, was der Generalabt Lucrezia angetan hatte und mit welcher Aufrichtigkeit Filippo die junge Frau liebte. Wenn er nicht durch das Beichtgeheimnis gebunden gewesen wäre, er hätte der sturen Alten auf der Stelle alles erzählt, was er wusste. Aber so wie die Dinge lagen, konnte er nichts weiter tun als einen letzten Appell an ihre christliche Nächstenliebe zu richten.
    »Vergesst nicht, dass die Schwachen als Erste ins Himmelreich kommen, Schwester Pureza. Die Hochmütigen und Selbstgerechten werden die Letzten sein.«
    Nach seinem Besuch im Kloster machte sich der Prokurator sogleich auf den Weg zum Haus des Malers. Es war leer, das Türschloss aufgebrochen, der Herd kalt. In der Werkstatt roch es nach faulen Eiern, und an der Wand hing eine einzelne Zeichnung von der schwangeren Lucrezia, rund und prall, das Gesicht gen Himmel gewandt.
    Fra Piero fand den Maler auf dem Gerüst in der Domkapelle, wo er mit heftigen Bewegungen bei der Arbeit war. Zu seinen Füßen standen zahlreiche Farbeimer. Obwohl noch lange nicht Vesperzeit war, hatte der Maler seine Helfer fortgeschickt und war allein zurückgeblieben.
    »Bruder Filippo.« Der Prokurator musste mehrmals rufen, bis der Maler auf ihn aufmerksam wurde. Dann kam er viel zu schnell, geradezu leichtsinnig heruntergeklettert.
    »Hast du Nachricht?«
    »Ich habe Lucrezia gesehen. Das Kind wird bald kommen, Filippo. Du solltest darauf vorbereitet sein.«
    »Das bin ich«, antwortete der Maler. »Ich habe den Mistkerlen von der Gilde gestern das Altarbild geliefert – sie haben sich geweigert, mir den Rest meines Lohnes auszuzahlen, weil ich mit der

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