Das Bildnis der Novizin
Medici-Palastes. Sowohl Fra Giovanni als auch Fra Filippo waren unter seiner Patronage zu großen Künstlern gereift.
All dies und mehr hatte Cosimo möglich gemacht. Je reicher er wurde, desto mehr steckte er in die Stadt. Cosimo lebte wahrlich nach seinem Motto – Operare non meno l’ingegno che la forza : Handle sowohl mit Intelligenz als auch mit harter Hand -, und die ganze Stadt profitierte davon. Von dieser Allianz mit Alfonso von Neapel hing die Zukunft der Medici ab. Allein würden sie gegen die doppelte Bedrohung aus Rom und Venedig nicht bestehen können. Leider jedoch war der verwöhnte König Alfonso nicht so leicht zu beeindrucken.
»Erinnere ihn daran, dass wir auch Fra Giovanni hätten haben können«, sagte Cosimo. Er bezog sich auf den Dominikanermönch, den er reich für seine herrlichen Fresken im Kloster San Marco entlohnt hatte. »Der fromme Künstler hätte die tausend Florin für diesen Auftrag sicher mit Handkuss genommen.«
Cosimos Blick wanderte über das Pergament, auf dem Fra Filippo Lippi seine Pläne für das Triptychon dargelegt hatte. Der Künstler war unberechenbar und launisch und man musste beständig hinter ihm her sein. Aber seine Werke waren atemberaubend, lebendig, erdig, voll von den schwülen Schönheiten und den Gassenjungen, die die Straßen von Florenz bevölkerten. Fra Filippo beherrschte nicht nur die Techniken und den Stil seiner Zeit, er besaß darüber hinaus ein scharfes Auge für Mode und Kleidung. Doch vor allem waren seine Werke unglaublich lebendig, seine Figuren wie aus Fleisch und Blut.
Für den König von Neapel hatte Cosimo etwas ganz Neues, dem progressiven Zeitgeist Entsprechendes, in Auftrag gegeben: eine Szene, in der die Jungfrau Maria auf einer grasigen Waldlichtung kniete und bewundernd ihr schlafendes Kind anblickte. In diesem Werk sollte all der Mystizismus der unbefleckten Empfängnis zum Ausdruck kommen, ein Triptychon, das die Hand Gottes in jedem Blatt, jedem Stein, jedem Tropfen Wasser deutlich machte. Nur so ein Bild wäre ein würdiges Geschenk für einen König.
»Ich habe Euch damit betraut«, sagte der große Cosimo eindringlich zu seinem Emissär. »Und was habt Ihr erreicht, als Ihr vor drei Monaten in Prato wart und den Vertrag abgeliefert habt? Habt Ihr dem Mann denn klargemacht, dass die Ehre der Medici von dieser Arbeit abhängt?«
»Selbstverständlich, Euer Exzellenz. Der Mönch ist höchst dankbar für diese Ehre.« Ser Francesco sprach in einem Ton großer Ehrerbietung. »Glaubt mir, Herr, der Maler hat nicht vergessen, wie oft Ihr Euch für ihn verbürgt, wie oft ihn die Macht der Medici vor dem Zorn der Kirche gerettet hat.«
Beide Männer konnten sich noch gut erinnern, wie mager, wie gedemütigt der sonst so riesenhafte, aufschneiderische Fra Filippo ein Jahr zuvor gewirkt hatte, als er vor dem Gerichtshof der Erzbischöflichen Kurie erscheinen musste.
»Euer Wille geschehe, Euer Exzellenz«, schwor Cantansanti. »Mit Gottes Segen werde ich Euch schon in Kürze über die Fortschritte des Malers informieren können.«
Cosimo nickte und entließ seinen Emissär mit einem lässigen Winken.
Draußen im Gang schüttelte Cantansanti den Kopf. Er verstand Cosimos Ungeduld und würde tun, was das Oberhaupt der Medici von ihm verlangte. Aber er musste sich auch eingestehen, wie sehr ihn das Talent des Malers beeindruckte, auch seine überschwängliche, stolze, manchmal richtig unverschämte Art. Sein Genie machte ihn zu dem gefragtesten Künstler seiner Zeit und ihm, Ser Francesco, würde aus diesem Grund wohl nichts anderes übrig bleiben, als sich an die Fersen des Malers zu heften.
5. Kapitel
Am Montag der zehnten Woche nach Pfingsten, im Jahre des Herrn 1456
F ra Filippo saß vor dem Fenster seines Ateliers und musterte die fast vollendete Madonna mit Kind für Ottavio de Valenti. Die Ähnlichkeit war atemberaubend. Er wusste, dass er etwas tun sollte, um die Ähnlichkeit zwischen seiner Maria und dem Gesicht von Schwester Lucrezia zu verschleiern, aber die Miene war einfach perfekt, die Züge exquisit. Nicht einmal ihre hohe Stirn, ein Markenzeichen für höchste Intelligenz, könnte er ändern, ohne das zu zerstören, was er damit ausdrücken wollte. Alles, was er jetzt noch brauchte, war etwas Krapprot für die Lippen und vielleicht auch für die Juwelen an ihrer Krone und eventuell noch eine Winzigkeit Lapislazuli für das Blau der Augen.
Ansonsten war die Madonna perfekt.
Er nahm seinen abgetragenen
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