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Das Bildnis der Novizin

Titel: Das Bildnis der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Albanese Laura Morowitz Gertrud Wittich
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dass man zur Fermentierung von Färberwaid Urin verwendete. Die Arbeiter ihres Vaters hatten immer große Mengen Bier und Wein getrunken, wenn die jährliche Lieferung dieser Pflanze eintraf. Man hatte ihr erklärt, dass Färberwaid, wenn in alkoholisiertem Urin eingeweicht, ein herrliches Blau ergab.
    »Mein Vater«, gestand Lucrezia unbehaglich. »Er hat Färberwaid benutzt, um die Seidenstoffe aus seinem Geschäft blau zu färben.«
    Natürlich hatte Fra Filippo nicht vergessen, dass Lucrezias Vater Seidenhändler gewesen war. Tatsächlich hatte er gar nichts vergessen, was mit Schwester Lucrezia zu tun hatte. Er wusste genau, wie sie aussah, wenn sie betete, wie sie sich im Garten bewegte, wie sich ihre dichten Wimpern über ihre Augen senkten, wenn sie verlegen war. Er freute sich ungemein über diese unerwartete Gelegenheit, mit ihr allein sein zu können.
    »Ach, ja«, sagte Fra Filippo. »Und kennst du noch andere Pflanzen?«
    »Ja, Bruder.« Lucrezia nickte. »Mein Vater hat mir viel übers Färben beigebracht. Er kannte sich sehr gut damit aus.«
    Fra Filippo versuchte sie nicht allzu hungrig anzustarren.
    Er gab sich einen Ruck. »Gelb. Ich brauche auch noch etwas für Gelb.« Er war neugierig. Was wusste sie noch?
    »Zu Hause haben wir dafür Safran benutzt«, erklärte Lucrezia wie aus der Pistole geschossen. Die Antwort fiel ihr nicht schwer, denn ihr Vater hatte oft ein ähnliches Spiel mit ihr gespielt. »Aber der ist sehr teuer. Färber-Wau oder Reseda sind auch gut. Das haben wir hier. Oder noch besser«, sagte sie voller Eifer, ihm ihr Wissen zeigen zu können, »Ihr nehmt diese Margeriten hier.«
    Beide schauten zum dichten, mit goldenen Margeritenblüten beladenen Busch, der in der Südecke des Gartens wuchs. Ihre Blicke trafen sich. Margerite . Santa Margherita. Auf einmal war Fra Filippo sicher, dass Lucrezias Haar genau diesen Farbton besaß – obwohl er es noch nie gesehen hatte.
    »Löwenzahn wächst haufenweise draußen auf den Wiesen, und wenn man ihn lange genug einweicht, bekommt man ein Magenta, das fast so intensiv ist wie Euer Cinabrese«, erklärte Lucrezia, deren Unbehagen im Gespräch über Dinge, die sie kannte und liebte, vollkommen verschwand.
    Sie machte den Mönch auf verschiedene andere Pflanzen aufmerksam. Fra Filippo bewunderte derweil heimlich die Anmut ihrer Bewegungen, den hellen, melodischen Klang ihrer Stimme. Am liebsten hätte er ihren Schleier zurückgeschlagen und sie so gemalt, wie sie jetzt vor ihm stand: eine wunderschöne Jungfrau in einem Klostergarten.
    »Aus Buchsbaum gewinnt man ein schönes Grün, Bruder, wir beschneiden ihn gerade. Möchtet Ihr Euch vielleicht etwas davon mitnehmen?« Lucrezia blickte auf und sah, dass der Mönch ihr gar nicht mehr zuzuhören schien. Sie errötete. »Aber was rede ich. Verzeiht, Bruder Filippo, ich habe Euch schon viel zu lange aufgehalten. Wartet, ich hole Euch, was Ihr braucht.« Sie bückte sich ungeschickt, um Lavendel für ihn abzuschneiden.
    »Nein«, sagte Fra Filippo rasch. Ein wenig zu rasch. »Sprich weiter, bitte. Deine Kenntnisse sind erstaunlich.«
    »Wirklich?« Dieses eine Wort drückte ihre ganze Erleichterung aus. Abermals fühlte sie eine Last von ihren Schultern fallen, wie nach der Beichte. Sie wagte zwar nicht, ihm ins Gesicht zu sehen, doch sprach sie nun eifrig weiter, um ihm zu gefallen. »Ich weiß noch, was Ihr zu mir gesagt habt, Bruder, dass die Welt ein speculum majus ist, ein Spiegelbild des Himmels. Das ist mir ein großer Trost, und ich muss bei der Arbeit hier im Garten immer daran denken und auch beim Beten. Dann sage ich mir, dass alles, was wir tun, was um uns ist, ein Spiegelbild der Wunder Gottes ist.«
    Lucrezia breitete unwillkürlich die Arme aus und umfasste damit den Garten, den Himmel, den Mönchspfeffer, ja selbst die schwere eiserne Gartenschere. Und zum ersten Mal, seit sie einander begegnet waren, lächelte Lucrezia Fra Filippo offen an, blickte direkt in seine blauen Augen.
    »Fra Filippo.« Sie sagte es so leise, dass er sie kaum verstehen konnte. Dann, etwas lauter: »Es wäre mir eine Ehre, Euch auf meine bescheidene Weise behilflich sein zu dürfen.«
    Fra Filippo sah ihr Lächeln im Relief, im Wechsel von Licht und Schatten. Er stellte sich vor, wie er es mit seinem Pinsel einfing. Da begann plötzlich die Glocke zu läuten, die die Nonnen zum Gebet rief. Das eben noch so glückliche Gesicht des Mönchs umwölkte sich.
    »Schon!«, rief er enttäuscht und blickte zur

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