Das Bildnis der Novizin
dass ihr Unterarm mit Pusteln übersät war.
»Fieber hast du nicht«, sagte die alte Nonne und befühlte die Stirn der Jüngeren. »Vielleicht liegt es an der Waschlauge oder der Asche«, überlegte sie.
Es war Waschtag, und Schwester Simona hatte in der Waschküche gearbeitet, wo allwöchentlich die Wäsche der Nonnen gewaschen wurde.
»Ich werde dir einen guten Kräuterumschlag machen, das wird schon wieder.« Sie führte Schwester Simona in den kühlen Krankenflügel und ließ Lucrezia allein im Garten zurück.
Fra Filippo schloss leise das Klostertor auf und schlüpfte hindurch. Er wollte nicht läuten und auf sich aufmerksam machen. Unauffällig eilte er am Büro der Äbtissin vorbei und durch den Kreuzgang, der zum Klostergarten führte. Schon jetzt konnte er die Düfte riechen, die dem Garten der drei Arzneien entströmten. Er musste dabei unwillkürlich an die exotischen Düfte des Nahen Ostens denken, wie sie in den Psalmen beschrieben wurden. Ja, heute würde er sich ein wenig Zitronenbalsam und Rosmarin mitnehmen und sein Atelier damit beduften, damit es der Schönheit seiner Madonna auch würdig war.
Der Mönch schwang das niedrige Gartentürchen auf. Sein Blick fiel auf eine Nonne, die, vollkommen in ihre Arbeit vertieft, ein Gebüsch beschnitt. Ihr schwarzes Gewand hob sich deutlich vom saftigen Grün und satten Braun des Gartens ab. Doch erst als er ihre zarten Hände sah, erkannte er Lucrezia.
Als sie das Geräusch hörte, mit dem das Gartentor ins Schloss fiel, richtete sie sich auf und schaute herüber.
»Sei gegrüßt, Schwester Lucrezia. Ich hoffe ich störe nicht an diesem schönen Morgen?«
Lucrezia, die mit einer Gartenschere in der Hand vor dem Busch kniete, sah aus wie der frische Morgen, obwohl sie schon seit Stunden arbeitete. Auf ihrer Oberlippe zeichneten sich zarte Schweißtröpfchen ab. Neben sich hatte sie einen breiten Korb, in dem sie die geernteten Blätter sammelte.
»Guten Morgen, Bruder Filippo, und Gottes Segen.« Lucrezia neigte respektvoll das Haupt und erhob sich, achtete aber darauf, Abstand zu halten. Der hünenhafte Mann verströmte eine unglaubliche Vitalität und Energie. »Ich fürchte, Schwester Pureza ist beschäftigt. Sie kümmert sich um eine Kranke.«
»Wer ist denn krank?«, fragte Fra Filippo besorgt.
»Ach, es ist nichts Ernstes, bloß ein Ausschlag auf Schwester Simonas Arm. Möchtet Ihr warten?«
Lucrezia wies mit einem Blick auf die steinerne Gartenbank an der Mauer.
»Ach, ich finde schon, was ich brauche«, beruhigte Fra Filippo sie. So selbstbewusst und ungestüm er sonst war, in Gegenwart dieser jungen Frau wusste er plötzlich nicht so recht, was er sagen sollte.
»Aber um das, was ich aus der Kräuterapotheke brauche, werde ich Schwester Pureza doch bitten müssen. Sie hütet ihre Bestände wie ihren Augapfel.«
Lucrezia sah auf, vermied es jedoch, dem Mönch ins Gesicht zu schauen. Stattdessen wanderte ihr Blick über seine breiten Schultern, seine weiße Kutte. Er trug einen Lederbeutel am Gürtel, ähnlich denen der Färbermeister ihres Vaters. Sie musste daran denken, wie gut ihr seine Krönung gefallen, wie viel Trost sie an ihrem ersten Tag in dem Altarbild gefunden hatte. Dann wurde sie rot, weil ihr einfiel, wie sie sich bei der Beichte hatte gehen lassen. Der Kaplan wusste jetzt schon mehr über sie, als ihr lieb war. Auf einmal hatte sie das starke Bedürfnis, ihn so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Ihre Schwäche im Beichtstuhl war ihr peinlich. Sie hatte ihm ihre intimsten Wünsche und Sehnsüchte offenbart.
»Vielleicht kann ich Euch ja helfen, Bruder, dann könnt Ihr schneller wieder an Eure Arbeit zurück«, schlug sie schüchtern vor. »Was braucht Ihr denn?«
Fra Filippo lächelte. Ja, seine Madonna sah tatsächlich genauso aus wie die Novizin. Er beugte sich vor und versuchte einen Blick in ihre Augen zu erhaschen. Zu seiner Freude konnte er feststellen, dass deren Blau genauso war, wie er es in Erinnerung hatte, ja er glaubte sogar einen Hauch Grün darin zu entdecken, ein Funkeln, das nur im hellen Sonnenschein zu sehen war.
»Lavendel«, sagte er. »Und Färberwaid. Den Färberwaid brauche ich heute noch, denn er muss erst noch fermentieren.«
»Ja, das stimmt«, sagte Lucrezia und wurde rot.
Fra Filippo sah, dass sie sich auf die Unterlippe biss.
»Weißt du womöglich etwas über den Fermentierungsprozess von Färberwaid, Schwester Lucrezia? Wie ist das möglich?«
Aber es stimmte. Lucrezia wusste,
Weitere Kostenlose Bücher