Das Bildnis der Novizin
Lederbeutel und befestigte ihn an dem geflochtenen Gürtel, den er um die Taille trug. Dann tauchte er die Kelle ins Wasserfass und trank in tiefen Schlucken. Anschließend machte er sich auf den Weg zum Kloster. Als er in die Via Santa Margherita einbog, kam er an einer alten Prostituierten vorbei, die mit verkrüppelten Armen vor ihrer Hütte saß. Die Alte wurde von allen gemieden; ihre einzige Kundschaft waren die schlimmsten, abstoßendsten Männer der Stadt.
Fra Filippo sprach ein Gebet für die alte Sünderin und dachte dabei über die unerforschlichen Wege des Herrn nach. Wie kam es, dass die einen ihr Leben Gott und die anderen dem Satan widmeten?
»Das kenne ich aus dem Garten meines Vaters«, sagte Lucrezia zu Schwester Pureza und strich über die weichen Nadeln des Dillsträußchens, das auf ihrer Handfläche lag. »Und das auch.« Sie befühlte die spitzen Zweige des Rosmarins. »Das hat unsere Beatrice immer in den Brotteig getan.«
Lucrezia hielt sich ein Rosmarinsträußchen an die Nase und sog den belebenden Duft ein. Zu ihren Füßen wuchs Basilikum, den sie zuvor zurückgeschnitten hatte. Die Luft war erfüllt vom Duft der gezupften Kräuter. Die Hitze hatte endlich nachgelassen, und nun war der Aufenthalt im Freien das reinste Vergnügen.
»Rosmarin wird sowohl in der Küche als auch bei der Krankenheilung verwendet«, erklärte Schwester Pureza. Sie beugte sich vor und knipste ein Sträußchen vom Busch. »Es klärt den Kopf, erfrischt und belebt. Man kann auch schmerzende oder müde Hände und Füße damit einmassieren. Aber aufgepasst! Zuviel davon kann unter Umständen dazu führen, dass die Frucht des Leibes frühzeitig abgeht.«
Lucrezia beneidete Schwester Pureza um ihre Ruhe, ihre Gelassenheit, ihre stille Hingabe an ihre Arbeit. Seit sie im Kloster war, trat ihre Monatsblutung unregelmäßig auf. Sie fragte sich, ob die Heilige Jungfrau Maria in ihrer unendlichen Weisheit beschlossen hatte, ihr den Monatsfluch zu ersparen, damit aus ihr eine ebenso zufriedene Nonne würde wie Schwester Pureza.
Die Alte war bis auf die Gebets- und Mahlzeiten, oder wenn es eine Mitschwester zu pflegen gab, immer im Garten der drei Arzneien zu finden, wo sie sich unermüdlich um die Kräuter kümmerte, die Leib und Seele gesund erhielten. Immer – so auch jetzt – schien sie dabei vollkommen in ihrer Tätigkeit aufzugehen, egal ob sie nun im Garten arbeitete oder im Vorratsraum im Keller, wo sie die geernteten Pflanzen präparierte und gewissenhaft ordnete.
»Viele dieser gesegneten Kräuter lassen sich auf mehr als eine Art verwenden«, erklärte die alte Nonne und schnupperte ebenfalls am Rosmarin. »Es ist unsere Aufgabe, diese Verwendungen herauszufinden und sie im Sinne Gottes zu gebrauchen.«
Der Kräutergarten stand nun, im Spätsommer, in voller Blüte. Die Quitten waren fast reif, und der Lavendel begann bereits lila Spitzen zu bekommen; bald würde er in voller Blüte stehen. Das steinerne Vogelbad war ein beliebter Treffpunkt der Spatzen, und die Sonnenblumen reckten ihre großen, gelben Köpfe über die Klostermauern. Pelzige Hummeln flogen summend im Garten umher und sammelten den letzten Nektar ein. Jenseits der Klostermauern lag die Stadt, in der viertausend Seelen lebten, doch hier herrschte eine beinahe ländliche Ruhe.
Der Duft des Gartens erinnerte Lucrezia an ihre Kindheit, an die herrlichen Sommer, die sie in ihrem Ferienhäuschen in den Hügeln über Lucca verbracht hatten. Sie und ihre Schwestern hatten farbenprächtige Brautkränze aus Blumen geflochten und sich vorgestellt, wie prächtig ihre Hochzeiten eines Tages sein würden. Dieses Spiels waren sie nie müde geworden.
Ja, das Leben war voller einfacher Freuden gewesen: Stangenbohnen und Paprika pflanzen; Beatrice beim Marmeladekochen helfen, im kleinen Weinberg herumstreunen, der voller saftiger, dunkelroter Trauben hing.
»Der Kreuzdorn wird hauptsächlich von Künstlern verwendet: Man gewinnt daraus ein schönes Grün.«
Schwester Pureza zeigte Lucrezia die zarten Knötchen an den Zweigen; dort musste man die Pflanze beschneiden. Sie begann den wild wuchernden Busch in eine ordentliche, runde Form zu bringen. Die Alte reichte Lucrezia eine große Gartenschere und die beiden arbeiteten stumm Seite an Seite. Irgendwann tauchte Schwester Simona auf, bleich und kränklich.
»Ich kümmere mich um unsere Schwester Simona, mach du ruhig weiter«, sagte Schwester Pureza.
Schwester Simona hob ihren Arm. Lucrezia sah,
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