Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Bildnis der Novizin

Titel: Das Bildnis der Novizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurie Albanese Laura Morowitz Gertrud Wittich
Vom Netzwerk:
Sonne auf, um nach deren Stand die Zeit einzuschätzen. »Dann muss ich eben nach dem Gebet noch mal kommen. Ich habe ja noch gar nichts gesammelt.«
    Lucrezia, die der enteilenden Gestalt in der weißen Kutte nicht weniger enttäuscht nachblickte, sah Schwester Pureza aus dem Krankenflügel auftauchen. Die alte Nonne gesellte sich zu ihr.
    »Was hat er gebraucht? Fra Filippo scheint es heute ja besonders dringend zu haben.«
    Lucrezia widerstand der Versuchung, die Alte anzuschauen.
    »Ja, er hat auf dich gewartet. Er sagte, du hütest deine Kräuter wie deinen Augapfel.«
    »Da hat er recht.« Die alte Nonne schaute Lucrezia mit einem undurchdringlichen Blick an. »Ich hüte diesen Garten und alles, was darin ist. Jeder gute Gärtner wird darauf achten, seine Pflänzchen vor unvorsichtigen oder groben Händen zu schützen.«
    Die Glocke läutete noch immer. Schwester Pureza nahm Lucrezia die Schere aus der Hand und legte sie behutsam in den Korb mit den Buchsbaumblättern. Sie sah, wie die Novizin errötete.
    »Komm.« Die Alte wandte sich zum Gehen. »Es wird Zeit.«

6. Kapitel

    Am Dienstag der zehnten Woche nach Pfingsten, im Jahre des Herrn 1456
    E in Blick auf das prächtige Ross, das soeben vor seinem Fenster angebunden wurde, bestätigte Fra Filippos schlimmste Befürchtungen: Ser Francesco Cantansanti war eingetroffen, der Sonderbotschafter der Medici.
    Der Maler schaute sich hastig in seinem Atelier um. Nun, jetzt noch aufzuräumen hatte natürlich wenig Sinn. Außerdem würde er den Emissär mit einem ordentlich aufgeräumten Atelier nicht beschwichtigen können. Der Mann wollte sehen, wie weit er mit dem Altarbild für König Alfonso gekommen war.
    Nicht sehr weit.
    »Ser Francesco!« Fra Filippo riss die Tür auf und lächelte den Emissär herzlich an. »Ihr seid zur Feier gekommen!«
    »Bruder Lippi.« Cantansanti nickte. Er machte eine gute Figur in seinem bestickten Wams und den kostbaren Seidenstrümpfen. »Guten Morgen.«
    Ser Francesco öffnete die Halsspange seines Capes und trat, den Kopf einziehend, in Lippis Hütte. Dabei fiel ihm ein, wie der große Cosimo einmal befohlen hatte, den Maler in seine Werkstatt zu sperren, um ihn zu zwingen, an einem Auftrag weiterzuarbeiten, anstatt nächtens wie ein liebeshungriger Kater durch die Straßen zu streifen. Er lächelte.
    »Und? Wo ist das Altarbild?«, fragte er ohne Umschweife. »Wie weit seid Ihr gekommen? Cosimo möchte einen Reisetermin für Neapel festsetzen.«
    »Also bitte! Das können wir doch ein bisschen später besprechen. Trinkt erst mal einen Schluck Wein mit mir!« Der Mönch wedelte auffordernd mit einer großen, bauchigen Chiantiflasche.
    Als der Emissär daraufhin verneinend den Kopf schüttelte, nahm Fra Filippo selbst einen herzhaften Schluck und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab.
    »Also, was ist jetzt?« Cantansanti blickte sich in dem Durcheinander des kleinen Ateliers um. »In Florenz erwartet man Nachricht von Euren Fortschritten. Wo ist das Bild?«
    Es hatte keinen Zweck, den Mann noch länger hinzuhalten. Eine solche Taktik, das hatte Fra Filippo zu seinem Leidwesen erfahren, würde den Emissär nur noch mehr verärgern.
    »Es kann noch nicht besichtigt werden.«
    »Wie? Wieso das? Glaubt Ihr etwa, die Medici können ewig warten?«
    »Nun, mit den Flügeln habe ich bereits begonnen.« Fra Filippo war selbst überrascht, wie ruhig seine Stimme klang. Ser Francesco schaute sich um, konnte die Bilder aber nirgends entdecken.
    »Wartet, ich werde sie Euch zeigen«, sagte der Maler. »Aber ich mache Euch darauf aufmerksam, dass sie noch nicht fertig sind.« Er zog die Tücher von zwei rechteckigen Holzplatten, jedes halb mannshoch.
    » Ecco «, sagte er. »Ich habe mich genau an die Anweisungen von Giovanni und Cosimo gehalten. Seht, das goldene Haar des heiligen Michael, seine silberne Rüstung, sie schimmern, wie es einem Streiter Gottes würdig ist.«
    »Schön.« Der Emissär studierte die Bilder mit geschürzten Lippen. Es stimmte, die Abbildungen des heiligen Michael und des gütigen Abtes Antonius waren superb ausgeführt. »Sehr gut. Und die Muttergottes? Ihr habt den Entwurf doch sicher inzwischen zumindest auf Pappel übertragen?«
    »Noch nicht«, musste der Mönch widerwillig gestehen. »Aber ich habe den Entwurf weiter ausgearbeitet. Er ist nun fertig.«
    »Um der Liebe Gottes willen, Filippo, setzt Euch endlich in Bewegung! Ich möchte keinen Negativreport nach Florenz schicken müssen.«
    Er starrte

Weitere Kostenlose Bücher