Das Bildnis der Novizin
zwischen ihren Schenkeln.
»Lucrezia«, ächzte er, richtete sich halb auf und schaute ihr ins Gesicht. Seine Augen leuchteten, ein Licht, das von innen aus ihm schien.
»Jetzt sind wir Mann und Frau«, flüsterte sie und war selbst überrascht, wie viel Kummer sie neben ihrer Freude darüber empfand.
»Ich liebe dich«, wisperte er. »Nicht weinen, Lucrezia, ich liebe dich.«
18. Kapitel
In der neunzehnten Woche nach Pfingsten, im Jahre des Herrn 1456
L ucrezias Blutergüsse verblassten und waren bald vollkommen verschwunden, fortgewischt von der Liebe des Malers. Der Herbst entfaltete seine ganze Farbenpracht. Der Holzstapel vor der Hütte wurde kleiner. Sie begann mehr und mehr Nächte auf der Bettstatt vor dem Herd zu verbringen – in Fra Filippos Armen. Seine großen, verständigen Hände streichelten ihren Körper, hielten ihr sanft den Mund zu, wenn sie ihre Lust nicht länger zurückhalten konnte. Er war ein guter, geduldiger Liebhaber und machte es ihr leicht, in der Dunkelheit der Nacht die Misshandlungen des Generalabtes vorübergehend zu vergessen.
Als das Allerheiligenfest heranrückte, klagte Spinetta über eine Erkältung, die sie sich in den zunehmend kalten Nächten zugezogen hatte, und bat darum, in der Küche vor dem Herd schlafen zu dürfen.
»Danke«, sagte Lucrezia still, »danke für deine Liebe und dein Verständnis.«
»Ich weiß nicht mehr, was richtig ist«, meinte Spinetta bekümmert. »Ich bete jede Nacht für deine Seele.«
»Ich auch«, antwortete Lucrezia.
Sie sagte nichts über ihre Regel, die schon seit zwei Monaten ausgeblieben war, aber jeden Morgen, wenn der Maler sie allein gelassen hatte, kniete sie sich ans Bett und betete um die Hilfe der Madonna.
Lucrezia wusste zwar aus eigener Erfahrung, dass ihre Regel in Zeiten großer emotionaler Anspannung gelegentlich ausbleiben konnte. Aber das, was der Generalabt ihr angetan hatte, ließ sie etwas weit Schlimmeres fürchten. Falls sie tatsächlich ein Kind erwartete, war es wichtiger denn je, dass sie und Filippo den Segen des Papstes erhielten. Und falls, was der Herr verhüten möge, das Kind von Generalabt Saviano sein sollte, dann würde sie den Beistand der Muttergottes benötigen und möglicherweise ein größeres Maß an Liebe, als der Maler für sie empfand.
»Hast du schon etwas von deinen Gönnern gehört?«, fragte Lucrezia eines Abends Fra Filippo, als dieser seine Pinsel auswusch.
Fra Filippo wich ihrem Blick aus. Er hatte vor zwei Tagen einen Brief von Ser Francesco Cantansanti erhalten, der ihm in der Kathedrale ausgehändigt worden war.
»Papst Kalixt III. ist Tag und Nacht von seinen Kardinälen umgeben, die jede Gelegenheit ergreifen, sich bei Seiner Heiligkeit einzuschmeicheln oder sich gegenseitig zu diskreditieren. Dies ist eine sehr ungünstige Zeit. Ich schlage vor, Ihr konzentriert Eure Leidenschaften auf Eure Arbeit und überlasst Liebeshändel denen, die keine Kutte tragen. Vergesst nicht, welch harte Strafen die erzbischöfliche Kurie verhängen kann! Und vergesst ebenfalls nicht, dass Ihr die Novizin nicht heiraten und gleichzeitig Mönch bleiben könnt. Doch wenn Ihr die Kirche verlasst, gebt Ihr auch deren Schutz auf.«
»Filippo?«, wiederholte Lucrezia, die fürchtete, er könnte ihre Frage überhört haben. »Hast du schon Nachricht bekommen?«
Fra Filippo räusperte sich und beschäftigte sich geflissentlich mit dem Reinigen seiner Pinsel. Er hatte Cantansanti voller Hast geantwortet und den Brief heute früh fortgeschickt.
»Mein Freund und ehrenwerter Emissär, ich achte Euer gutes Urteilsvermögen und vertraue darauf, dass Ihr wisst, wann die Zeit günstiger ist in Rom. Indessen jedoch benötige ich mehr Goldlack und Lapus, die, wie Ihr wisst, sehr teuer sind. Ich bitte Euch, mir noch etwas Geld zu schicken, damit ich das Altarbild in der ganzen Glorie, die es als Geschenk für den König von Neapel verdient und die der ehrenwerte Cosimo zu Recht erwartet, fertigstellen kann.«
»Die Medici wollen das Altarbild so bald wie möglich in Neapel sehen«, wich er aus. »Wenn es dort ist, erwarte ich gute Nachrichten.«
Lucrezias Miene verdüsterte sich. Er hatte das Mittelbild seit Tagen nicht mehr aus der Ecke geholt. Die Skizze war zwar auf das Holzbrett übertragen, die Grundierung aufgebracht, die Wangen der Madonna mit ein wenig Farbe betupft worden, doch das war bis jetzt alles. Es war noch lange nicht fertig.
»Dann werde ich darum beten, dass du so schnell wie möglich
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