Das Bildnis der Novizin
entwachsen. Er besaß ein hübsches Gesicht, dichte dunkle Locken und die großen, glutvollen schwarzen Augen des typischen Südländers.
»Das reicht mir nicht«, erklärte Fra Filippo. »Ich will sie nicht hintergehen oder als Konkubine in meinem Haus halten. Ich möchte ihr Ehemann sein, ihr den größtmöglichen Schutz bieten, den ich ihr geben kann.«
»Und wenn man dich ins Gefängnis wirft? Wie willst du sie dann beschützen?«
»Das werden die Medici nicht zulassen; nicht, wo so viel von dem Triptychon abhängt, nicht, solange ich in der Gunst des großen Ser Cantansanti stehe.«
Fra Piero stöhnte und schüttelte den Kopf. »Warum musstest du dich auch verlieben!«
»Glaubst du etwa, ich hatte eine Wahl?« Fra Filippo hielt seinem Freund das blaue Buch unter die Nase. »Hier steht, dass eine Verbindung, die mit dem vollen Einverständnis beider und dem Segen eines Priesters eingegangen wird, an sich schon zu einem Sakrament wird. Wie viele haben fern von Rom geheiratet, aber mit dem Segen Christi! Du weißt, dass das stimmt, Piero. Mein Gott, selbst Piccolomini hat zwei uneheliche Kinder, und er ist der Kardinal von Siena!«
Fra Pieros Entschluss kam ins Wanken.
»Solange Saviano lebt, kann sie nicht nach Santa Margherita zurück, das weißt du genau.« Der Maler senkte die Stimme. »Ich kann ihr zumindest den Schutz meines Namens bieten.«
»Wenn du dir schon alles zurechtgelegt hast, wieso brauchst du mich dann noch?«
»Als Beichtvater und als Zeugen. Wenn mir etwas zustoßen sollte, kannst du bezeugen, dass wir das Ehegelübde abgelegt haben.«
Fra Piero zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf.
»Bedeutet es denn überhaupt etwas?« Er warf einen Blick in das Gesicht seines Freundes und kannte die Antwort.
» Mir bedeutet es etwas«, sagte der Maler. »Und ich weiß, dass es ihr alles bedeutet.«
»Nun, dein Schutz wird jedenfalls nur so weit gehen wie die Wichtigkeit deiner Arbeit, Filippo.«
»Dann wollen wir Gott für meine Arbeit danken«, entgegnete der Maler. »Und hoffen, dass sie gut wird.«
»Obzwar allein der Papst dir und Bruder Filippo Dispens zum Heiraten erteilen kann, könnt ihr zwischen euch und vor Gott das Ehegelübde ablegen, um Frieden zu finden und vor Gott als Mann und Frau zu leben.«
Lucrezia saß allein mit dem Prokurator in der Küche. Ihr schwirrte der Kopf. In der Hand hielt sie das blaue Buch mit den goldenen Lettern.
»Bruder Filippos Name wiegt in und um Florenz schwer«, erklärte der Prokurator. Er berührte ihre Stirn. »Du hast deinen Nonnenschleier abgelegt, du hast deine endgültigen Gelübde noch nicht gesprochen, bist noch keine Braut Christi. Ich gebe zu, es ist ungewöhnlich, aber ich glaube, eine solche Zeremonie hätte ihren Sinn. Wenn es das ist, was du dir wünschst.«
»Ich will bei ihm bleiben. Ich will seine Frau werden. Wenn das, wie Ihr sagt, möglich ist.«
»Dann sei es so«, antwortete Fra Piero schlicht.
Lucrezia schloss die Augen und begann mit ihrer Beichte. In stockenden Worten schilderte sie, wie der Generalabt ihr Gewalt angetan hatte, gestand ihre Scham, ihre Schuldgefühle. Es war das erste Mal, dass Fra Piero diese Geschichte direkt aus ihrem Munde hörte. Er war so empört darüber, was ihr angetan worden war, dass er schwor, alles zu tun, um das künftige Glück und die Sicherheit dieser jungen Frau zu gewährleisten.
»Ich bin nicht nur wütend auf den Generalabt«, gestand sie flüsternd. »Ich bin wütend auf Gott und auf die Kirche. Und auch auf mich selbst.« Sie hielt inne. »Ich war auf der Suche nach einem Spiegel, als ich die Farbe verschüttete. Meine Eitelkeit ist schuld an der Zerstörung meines Habits. Wenn dies nicht geschehen wäre, dann hätte er mich nicht in meiner Unterwäsche vorgefunden und …« Sie konnte einen Moment lang nicht weitersprechen. »… und dann wäre das alles vielleicht gar nicht passiert.«
»Vielleicht«, antwortete Fra Piero sanft. »Aber Gottes Wille ist unergründlich, Lucrezia. Wir können uns ihm nur beugen.«
Als Lucrezia und der Prokurator aus der Küche in die Werkstatt traten, hatte Fra Filippo gerade ein sauberes weißes Tischtuch über seinen Arbeitstisch gebreitet. Eine Kerze brannte neben einem Silberkelch mit süßem, rotem Wein. Spinetta stand vor dem großen Fenster und ließ ihren Rosenkranz durch die Finger gleiten. Sie mied den Blick ihrer Schwester.
»Ich weiß, du hast dir deine Hochzeit anders vorgestellt«, sagte Fra Filippo und trat auf
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