Das Bildnis der Novizin
ist möglich, wenn es Gottes Wille ist«, sagte der Maler. »Wenn Gott es so will, ist nichts unmöglich.«
Der Mönch war froh und glücklich. Dennoch musste er an Ser Cantansantis strenges Gesicht denken, als dieser ihn ermahnte, diskret zu sein und seine Liebesaffäre vor dem wachsamen Auge der Medici zu verbergen.
»Du folgst dem Willen Gottes, Lucrezia«, sagte Spinetta eines Morgens, »aber ich muss ebenfalls tun, was Gott von mir will. Ich muss ins Kloster zurückkehren und Christi Geburt feiern.«
»Du warst sehr gut zu mir«, sagte Lucrezia tapfer. »Bruder Filippo wird sich um mich kümmern. Bitte richte den anderen aus, dass es mir leid tut, wenn ich ihnen Schmerz zugefügt habe.«
Am Heiligen Abend nahm Lucrezia tränenreich Abschied von Spinetta. Sie blickte ihr durchs Fenster nach, als sie in Begleitung von Paolo über den Platz schritt, um ins Kloster zurückzukehren.
Nachdem Spinetta fort war, zog Lucrezia ein einfaches Kleid aus Stoffresten an, die Fra Filippo ihr mitgebracht hatte, und ging vor die Tür. Sie blieb so lange stehen, bis es ihr gelang, die Aufmerksamkeit einer Wollwalkersfrau auf sich zu ziehen.
»Ich brauche heute unbedingt ein wenig frische Luft«, sagte Lucrezia mit einem traurigen Lächeln. »Und ich wäre dir unendlich dankbar, wenn du mich begleiten könntest.«
Die Frau – sie hieß Anna – gehörte zu denen, die von dem Wunder im Valenti-Palazzo gehört hatten und an Lucrezia glaubten. Sie war eine einfache, fromme Frau und begleitete Lucrezia zum Bisenzo und zurück, ohne viel zu reden. Lucrezia verbarg ihr Gesicht unter ihrer Kapuze, aber als sie wieder nach Hause kam, waren ihre Wangen rosig und sie fühlte eine neue Stärke und Entschlossenheit.
»Ich will mich nicht verstecken«, sagte sie zu Fra Filippo. »Es ist Weihnachten, der Geburtstag unseres Herrn Jesus Christus. Ich will in die Kirche gehen und am Abendmahl teilnehmen.«
Fra Filippo schickte eine Nachricht an seinen Freund, Fra Piero, der seit dem Tag ihrer Hochzeit nicht mehr in der Werkstatt gewesen war. Er traf bei Sonnenuntergang ein. Der zierliche kleine Mann strahlte vor Energie, und seine Nase war ganz rot vor Kälte. Er hatte einen Schinken in einem Sack dabei, den er fröhlich auf den Tisch warf. Dann ging er mit ausgebreiteten Armen auf Lucrezia zu.
»Du strahlst ja geradezu«, sagte er und zeigte grinsend seine schiefen Zähne.
Lucrezia errötete. Er nahm sie bei der Hand und zog sie in die Küche. Dort setzten sie sich an den Herd. Der Prokurator betrachtete sie eingehend. Er erriet sofort die Ursache ihres Aufblühens.
»Ein Kind ist ein Segen«, sagte er gütig. Natürlich fragte er sich, wer der Vater sein mochte, doch darüber schwieg er. Er hatte die beiden getraut, ermahnte er sich. In den Augen Gottes – wenn auch nicht des Papstes – waren sie ein Ehepaar. »Wie schön, dass du dieses wundervolle Geschenk gerade in dieser festlichen Zeit bekommen hast!«
Nachdem er ein Gebet für Mutter und Kind gesprochen hatte, nahmen sie zu dritt ein herzhaftes Mahl ein. Anschließend legten sie ihre Mäntel um und machten sich auf den Weg zur Messe in Sant’Ippolito.
Lucrezia atmete auf, als sie die marmorne Schwelle der Kirche überschritt. Eine große Freude erfasste sie. Sie hatte sich viel zu lange versteckt. Wie schön, endlich wieder eine Kirche zu betreten! Mit züchtig gesenktem Kopf ging sie zwischen Fra Filippo und Fra Piero durch den Vorraum, tauchte ihre Finger ins Weihwasser und bekreuzigte sich. Dann suchten sie sich einen Platz und setzten sich, Lucrezia in der Mitte. Sie lauschte den frommen Gesängen und sang im Geiste mit. Als sie hinter Fra Filippo zum Altar ging und dort den Leib Christi empfing, wurde ihr vor Demut und Zufriedenheit fast schwindlig.
Auf dem Rückweg durch den Mittelgang hörte sie jemanden flüstern. »Madonna!« Sie hob den Kopf und fand den Blick einer feinen Dame neugierig auf sich gerichtet.
»Das ist sie«, flüsterte die Frau ihrer Begleiterin zu und streckte die Hand nach Lucrezia aus. Sie trug ein kostbares Seidenkleid, einen Hut und einen Mantel aus dickem Samt. An ihren parfümierten Händen schimmerten zahlreiche Ringe.
»Ihr kennt mich?«, fragte Lucrezia verwirrt. Sie schaute die Frau an, suchte nach Anzeichen von Hass und Abscheu in ihrem Gesicht.
»Ihr seid de Valentis Madonna«, flüsterte die Frau und machte ein Kreuzzeichen. » Die wunderreiche Madonna . Man sagt, Ihr seid gesegnet.«
Auf dem Heimweg hakte sich Lucrezia bei dem
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