Das Bildnis der Novizin
unterschieden: Spinetta in ihrem frisch gestärkten schwarzen Nonnenhabit und Lucrezia in ihrem zerknitterten Unterkleid, das ihr durchgeschwitzt am Körper klebte, darüber ihr schlichtes blaues Kleid, das sie hastig übergestreift hatte.
»Nein, ich glaube nicht, dass ich krank bin, Schwester.«
Der Maler war in seine Werkstatt gegangen und sie hörten ihn dort herumwerkeln. Sie sprachen in leisem, drängendem Ton.
»Ich muss hierbleiben und das Kind zur Welt bringen.«
»Das Kind eines Mönchs.« Aber noch während Spinetta diese bitteren Worte herausrutschten, fiel ihr die andere, weit schlimmere Möglichkeit ein, und das Erschrecken darüber stand ihr ins Gesicht geschrieben.
»Was immer Gottes Wille ist«, sagte Lucrezia und senkte den Blick auf die rauen Bodendielen. Spinetta bekreuzigte sich und ließ sich ihr gegenüber mutlos auf einen Küchenhocker sinken.
»Was hat Bruder Filippo gesagt?«
»Ich hab’s ihm noch nicht gesagt«, erklärte Lucrezia. »Um die Wahrheit zu sagen, Schwester, ich habe Angst davor, was jetzt kommt.«
Sie schloss die Augen und stellte sich einen feisten, gesunden Säugling mit blauen Augen und Filippos breiten Zügen vor. Doch jedes Mal, wenn sie an das Gesicht des Generalabtes dachte, wurde ihr übel.
Als Spinetta schließlich ging, um auf dem Markt etwas Schinken zu besorgen, und die beiden allein ließ, war Lucrezia vor Sorge ganz krank.
Sie gab sich einen Ruck und betrat die Werkstatt, wo Fra Filippo vor einer Staffelei stand. Sie räusperte sich.
Fra Filippo wandte sich um und blickte ihr entgegen. Er wusste genau, warum sie zu ihm kam, was sie ihm sagen wollte. Er hatte bereits darauf gewartet, und obwohl er seit Tagen an kaum etwas anderes mehr denken konnte, war er sich seiner Gefühle darüber immer noch nicht sicher. Selbst jetzt nicht.
»Filippo?«
Sie sah, wie ernst sein Gesicht war, und da kamen ihr die Tränen. Der Maler ergriff ihre Hand und hielt sie fest.
»Was ist?« Er streichelte ihre Wange. »Warum weinst du?«
Von draußen drang der Lärm der Piazza herein, aber in der Werkstatt war es still. Lucrezia sagte nichts. Sie legte die große Hand des Malers sanft auf ihren Bauch.
»Es ist Monate her, seit ich meine letzte Blutung hatte«, erklärte sie. Sie verwob ihre schlanken Finger mit den seinen und blickte forschend zu ihm auf. Er blinzelte, regte sich jedoch nicht. Seine Hand blieb, wo sie war, warm und schützend auf ihrem Bauch.
»Ich erwarte ein Kind«, rief sie aus. »Sag, Filippo, ist das ein Segen oder die Strafe Gottes?«
Da huschte ein Ausdruck über das breite Gesicht des Malers, nicht Schrecken oder gar Abscheu, sondern etwas wie Glückseligkeit. Er nahm seine Hand nicht von ihrem Bauch, im Gegenteil, seine warme Pranke presste sich noch ein wenig fester an ihr Fleisch.
»Ein Kind von meiner Madonna kann nur ein Segen sein«, sagte er.
»Ich bin nicht deine Madonna«, widersprach sie schwach. »Ich bin überhaupt keine Madonna. So etwas zu behaupten ist Blasphemie.«
Fra Filippo kniete vor ihr nieder und presste sein Gesicht an ihren Bauch. Er hatte kein einziges Kind auf Erden, nur eine Totgeburt von jener Frau in Padua. Er hatte sich längst damit abgefunden, dass er nie Kinder haben würde, selbst wenn es Kardinäle mit illegitimen Kindern gab.
»Ich habe mich immer nach einem Sohn gesehnt«, gestand er. »Ich kann über eine solche Nachricht nicht traurig sein.«
»Aber in den Augen Roms leben wir in Sünde. Man wird sich in Prato das Maul über mich zerreißen, wenn das herauskommt! Und bedenke, was sie im Kloster von mir denken werden! Filippo, wir müssen jetzt mehr als je zuvor um eine positive Nachricht aus Rom beten.«
»Ist mir doch egal, was sie in Rom denken!«, rief er leidenschaftlich aus. Er richtete sich auf und nahm Lucrezias Gesicht in die Hände. »Vom ersten Moment an, als ich dich sah, habe ich Dinge gefühlt und gesehen, von denen ich nie geglaubt hätte, sie auf dieser Welt sehen und fühlen zu dürfen. Ja, wir werden um Nachricht aus Rom beten und wir werden fleißig arbeiten. Aber ganz egal, was auch passiert, ich werde nicht zulassen, dass du in Schande leben musst.«
Ermutigt von seinen Worten, erlaubte sie sich endlich, sich über ihre Schwangerschaft zu freuen.
Fra Filippo wusste, dass der Bescheid aus Rom vom Einfluss und dem guten Willen der Medici abhing. Gott regierte den Himmel, der Satan die Hölle. Aber es war Cosimo de Medici, der die Geschicke Italiens lenkte.
»Vergiss nicht: Alles
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