Das Bildnis der Novizin
Lucrezia zu. Sie roch den sauberen Duft der Seife, mit der er seine Hände geschrubbt hatte, dazu den scharfen Geruch der Farben.
»Es gibt keinen Ehevertrag, keinen Umzug, kein Festmahl«, sagte der Maler. »Nichts davon kann ich dir bieten, obwohl ich es gern täte. Aber ich will dich heiraten und dir alles geben, was ich habe. Wir werden Mann und Frau sein, und dann kann nichts und niemand dir mehr etwas anhaben.«
Lucrezia schloss die Augen.
»Bist du bereit, Lucrezia?« Der Maler fasste sie beim Ellbogen. Sie öffnete die Augen. Der Ausdruck darin glich einem stillen, ruhigen See.
»Ja«, murmelte sie, »ja, ich bin bereit.«
Fra Piero nahm das blaue Buch zur Hand und begann.
»Alles ist möglich mit dem Segen des Herrn«, fing er an und nickte dem ungleichen Paar zu: der große, schwere Mann und das zierliche Mädchen, das ihm kaum bis zur Schulter reichte. Lucrezias Blick war fest auf den Prokurator gerichtet; auch sie vermied es, ihre Schwester anzusehen, die lautlos ihren Rosenkranz vor sich hin betete.
»Reinen Herzens und frommer Gesinnung sind diese beiden zusammengekommen, um am heutigen Tag, dem vierundzwanzigsten September, in den heiligen Stand der Ehe zu treten«, verkündete Bruder Piero. »Es gibt kein Glück ohne eine Ehefrau, und keiner ist weise, sagt Aristoteles, der ein solches Geschenk der Natur, eine solch innige und vorteilhafte Zweisamkeit, verachtet.«
Der Maler zog ein kleines Samtsäckchen aus seiner Tasche. Er öffnete es und holte einen schmalen Goldring heraus, auf dem ein kleiner roter Edelstein funkelte.
»Roter Jaspis, für Liebe und Treue«, sagte er.
Lucrezias Augen wurden feucht, als er ihr den Ring behutsam überstreifte. Der Edelstein fing das Licht vom Fenster ein und funkelte im selben Rot wie der Wein im Kelch.
»Ich nehme dich zum Weibe und werde dir treu sein, in Körper und Geist. Alles, was mein ist, ist dein. Ich werde dich lieben und für dich sorgen, in guten wie in schlechten Zeiten, in Gesundheit und Krankheit.«
Ohne zu blinzeln wiederholte Lucrezia das Gelöbnis. »Ich nehme dich zum Manne und werde dir treu sein, in Körper und Geist. Alles, was mein ist, ist dein. Ich werde dich lieben und für dich sorgen, in guten wie in schlechten Zeiten, in Gesundheit und Krankheit.«
Fra Piero machte ein Kreuzzeichen über ihren geneigten Köpfen.
»Vor Gott dem Herrn seid ihr nun Mann und Weib. Er möge eure Verbindung segnen und euch behüten, bis der Tod euch scheidet.«
Der Maler beugte sich vor und ergriff den Kelch. Dann hielt er ihn zärtlich an Lucrezias Lippen. Er sah zu, wie sie einen Schluck trank. Dann drückte er seine Lippen auf die ihren und küsste ihren süßen, feuchten Mund.
Spinetta war erleichtert, als ihre Schwester an diesem Abend so wie immer ins Schlafzimmer kam. Lucrezia zog ihr Kleid aus und schlüpfte zu ihrer Schwester ins Bett. Sie kuschelte ihre kalten Füße an Spinettas warme.
»Bitte, versuch zu verstehen, Spinetta«, flüsterte Lucrezia.
»Es ist geschehen«, sagte Spinetta schlicht. »Jetzt können wir nur noch darum beten, das Richtige zu tun.«
Stunden später lag Lucrezia wach und lauschte Spinettas regelmäßigen Atemzügen. Sie meinte noch immer die Lippen des Malers zu schmecken, den Druck seines Mundes zu spüren. Sie legte die Hand auf das blaue Buch, aus dem Fra Piero ihr Gelübde vorgelesen hatte. Beim Licht einer schwachen Kerze suchte sie die betreffende Stelle heraus und las sie. Dann las sie sie noch einmal.
Sie schlüpfte aus dem Bett und schlich in die Küche, wo Filippo auf einer Decke vor dem warmen Herd lag. Mit raschelndem Unterkleid trat sie auf ihn zu.
»Bruder Filippo«, flüsterte sie. Und noch einmal, nur seinen Vornamen benutzend: »Filippo.«
Der Maler erwachte sofort und setzte sich auf. Die Decke rutschte in seinen Schoß und entblößte seine nackte Brust.
»Was ist? Was ist los?«
»Ich habe in dem Buch gelesen«, flüsterte sie. »In dem blauen Buch. Die Seite, die du eingemerkt hast.«
Sein Herzschlag setzte aus. Glaubte sie jetzt, ihre Ehe sei ungültig? Würde sie ihn verlassen, wo er noch immer den Geschmack ihres Kusses auf den Lippen hatte und den Kamilleduft ihres Haares riechen konnte?
»Ich will deine Frau sein«, sagte sie leise. Ihr Blick ruhte einen Moment lang auf seiner nackten Brust und sie streckte die Hand aus, hätte beinahe die dunklen Haare berührt, die darauf wuchsen. In ihr war eine große Sehnsucht, zu ihm zu gehören, geborgen zu sein.
»Ich habe
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