Das bin doch ich
schaue auf das Display. Anonymer Anruf. Ich hebe nicht ab. Statt dessen nehme ich mir am Kühlschrank noch ein Glas Wein. Dieses trinke ich im Stehen, das nächste nehme ich wieder mit ins Arbeitszimmer, Mahatma Gandhi wartet auf mich, der Mistbock. Vor ein paar Jahren hat er meine Pelz-Kolonien in Übersee überrannt, seither hört er Runde um Runde das Pfeifen meiner Stealth-Bomber.
Das Telefon läutet wieder. Ich gehe ran. Eine Frauenstimme sagt:
»Guten Tag, ich bin Frau Brschl-wschl von der Zeitschrift Steirermonat . Wir befragen Prominente zum Thema des Monats. Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?«
Ich grunze zustimmend. Der Steirermonat ist nicht der Spiegel , aber diesen Unterschied kann man bemerken oder auch nicht, ganz wie man will, und wenn man lange Zeit von niemandem etwas gefragt wurde, gibt man dem ersten Antwort, der fragt.
»Was halten Sie von künstlichen Brüsten?«
»Bitte was?«
Die Frau lacht. »Künstliche Brüste. Wie finden Sie sie? Haben Sie etwas dagegen, wenn Frauen ihre Brüste operieren lassen? Oder mögen Sie sie?«
»Ich… hm, hm… ja wissen Sie… ich kenne mich da nicht so aus…«
»Ja, aber was ist Ihre Meinung zu Brustimplantaten? Fühlt sich so eine Brust anders an? Besser? Schlechter?«
»Hm… künstliche… ähem… ich glaube – ich glaube, ich habe noch nie künstliche… ich meine, ich weiß gar nicht, wie sich so etwas anfühlt…«
»Sie meinen, Sie haben noch nie (kicher, kicher) künstliche Brüste berührt?«
»Ja, genau«, rufe ich erleichtert, »habe ich nicht!«
»Woher wissen Sie das so genau?« lacht sie triumphierend.
»Ähem… ja… woher weiß ich… stimmt.«
Nach kurzem Gestammel verabschiede ich mich. Das Kichern der Dame klingt in meinem Ohr nach. Etwas sagt mir, ich sollte den nächsten Steirermonat nicht kaufen.
Die Kopfschmerzen sind wieder da. Ich habe keine Wahl, ich lege mich hin, obwohl ich sicher bin, häßlich zu träumen.
Im Bett schicke ich ein SMS an Daniel:
Hat er schon gemailt?
Zwanzig Sekunden später die Antwort:
Nein.
»Papa! Auf! Papa!«
Stanislaus liegt auf meinem Gesicht, ich höre ihn nur gedämpft und bekomme schlecht Luft. Er dreht sich, rollt von mir herunter, quetscht sein Gesicht an meines, küßt mich.
»Papa – lieb!«
Das ist natürlich eine sehr erfreuliche Art, geweckt zu werden, und wir kuscheln eine Weile. Dann läuft er wieder aus dem Zimmer. Ich höre die Stimmen von Else und Ursel, meiner Schwiegermutter. Der Wecker zeigt halb sechs. Das hilft mir auf die Beine. Ich nicke grüßend in die Küche, mache die Augen zu, stelle mich unter die Dusche, ziehe mich an, mache die Augen auf, verabschiede mich. Ich verspreche Else, nicht zu spät heimzukommen.
Essen, Inder, Naschmarkt.
Das Viennale-Fest findet im Lusthaus statt. Ich kenne es nicht, weiß nur, es steht weit draußen im Prater. Mit den Öffentlichen wagt man ein Abenteuer. Ich leiste mir ein Taxi. Wir fahren und fahren und fahren. Ich zahle zwanzig Euro. Der Türsteher kontrolliert meine Einladung und läßt mich mit nachlässig höflicher Geste ein.
Ich sehe mich um. Gedämpftes Licht. Stehtische, auf denen Flaschen und Gläser vorbereitet sind, wenige Gäste. Offenbar bin ich zu früh. Ich suche nach bekannten Gesichtern. Ich kenne niemanden, nicht einmal vom Sehen. Irgendwo klimpert Musik.
Ich stehe da und frage mich, was ich jetzt machen soll. Noch einmal sehe ich mich um. Es gibt wirklich nichts, gar nichts anderes, was ich machen könnte, also muß ich trinken.
Kein Weißwein da. Ich koste den Rotwein, schmeckt abscheulich. Ich schiebe das Glas unauffällig an die entgegengesetzte Seite des Tisches. Eine Flasche Bier steht da, ich trinke. Es zieht. Ich stehe am Durchgang zu dem Raum, in dem das Buffet vorbereitet wird. Ich wechsle auf die andere Seite des Raumes, es sind noch genügend Tische frei, und von meinem neuen Platz aus, gerade neben der Eingangstür, habe ich zudem eine bessere Übersicht. Jetzt könnte es eigentlich losgehen, denke ich, aber dann fällt mir ein, daß es eine Party ist, und die funktioniert oder sie funktioniert nicht, und das ist für jeden anders wahrnehmbar.
Für mich scheint sie nicht funktionieren zu wollen. Auch eine halbe Stunde später nicht, und eine Stunde darauf noch immer nicht. Wenigstens habe ich den Weißwein entdeckt. Er steht ebenfalls auf allen Tischen, aber ich war zu unaufmerksam. Ich schaue mich noch mal unauffällig um. Es ist nicht zu leugnen: Ich kenne keine
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