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Das bin doch ich

Das bin doch ich

Titel: Das bin doch ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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herumzudrücken.
    »Tut das weh?«
    »Ih! Ih! Na ja!«
    »Und das?«
    »Ah! Ih! Wissen Sie, ich bin empfindlich.«
    Er macht eine besorgte Miene.
    »Wie lange, sagen Sie, haben Sie das schon?«
    »Das erste Mal war vor über einer Woche. Ich dachte, es sei schon vorbei, aber…«
    Er nickt, schaut mich traurig an und sagt:
    »Ich muß Sie ins Spital überweisen. Es ist der Blinddarm.«
    » Wie bitte ? «
    »Ja, ja.«
    »Aber das tut doch weh.«
    »Ihnen tut es ja auch weh.«
    »Nein, tut es nicht! Ich bin nur empfindlich!«
    »Aber sicher tut es Ihnen weh. Ich werde wohl wissen, wann es Ihnen weh tut. Lassen Sie nur, ich kenne mich da aus, ich bin ausgebildeter Anästhesist.«
    Er geht hinaus, und nun hört die gesamte Praxis: » RUFEN SIE EINEN KRANKENWAGEN ! ICH HABE DA DRINNEN EINEN MIT EINEM AKUTEN BLINDDARM !«
    Der Arzt untersucht in den Nachbarkojen weitere Patienten. Ab und zu höre ich Sätze wie HOFFENTLICH KOMMEN DIE BALD und NICHT LUSTIG SO WAS . Als er wieder einmal in seinem schmuddeligen grauen Kittel an meiner Koje vorbeisegelt, halte ich ihn auf.
    »Sagen Sie, wie kann man einen akuten Blinddarm…«
    »Hören Sie! Das ist ein schleichender Durchbruch. Deshalb ist Ihnen schlecht!«
    Ich werde von den Rotkreuzhelfern auf einer Trage durch das Wartezimmer hinausgeschleppt. Die Wartenden machen Platz. Ein Dutzend dunkler Augenpaare, die mich anstarren. Im Wagen bestehe ich darauf, mich hinzusetzen, weil mir im Liegen bestimmt noch mehr übel würde.
    »Tut es nicht zu weh im Sitzen?« fragt die Sanitäterin.
    »Mir tut überhaupt nichts weh«, antworte ich.
    »Ihnen tut nichts weh?« fragt sie ungläubig.
    Ich schüttle den Kopf. Ich sehe sie an. Sie ist ziemlich hübsch.
    »Was meinen denn Sie«, frage ich, »kann das mit dem Blinddarm zu tun haben? Wenn mir nur übel ist, aber nichts weh tut?«
    »Ich weiß nicht«, sagt sie vorsichtig, »gehört habe ich das noch nie.«
    Bei der Aufnahme im Krankenhaus stehe ich zwischen zwei Sanitäterinnen, während eine Frau hinter dem Pult meine Daten abfragt. Zum Schluß sagt sie:
    »Und Sie sind – der Angehörige des Patienten?«
    »Ich bin der Patient.«
    Sie sieht auf ihre Papiere.
    »Da steht doch: Blinddarm.«
    Ich zucke die Schultern.
    Ich muß mich trotzdem auf ein Bett legen. Werde in die Ambulanz gerollt. Eine junge Ärztin macht meinen Bauch frei und untersucht mich. Ich gebe wieder spitze Schreie von mir. Ich erkläre ihr, ich sei empfindlich und kitzlig, aber es täte nicht weh usw. Sie nickt.
    »Und? Blinddarm?«
    »Dann wäre der Bauch hart.«
    »Der Arzt, der mich hierhergeschickt hat, sagte etwas von einem schleichenden Durchbruch…«
    »Dann wäre der Bauch auch hart.«
    »Sie sehen mich erleichtert«, sage ich.
    »Jetzt nehmen wir Ihnen Blut ab, um auszuschließen, daß es etwas anderes ist, als ich vermute, nämlich eine Darmgrippe.«
    »Was? Blutprobe? Und wenn Sie dabei draufkommen, daß ich irgendwelche schweren Krankheiten habe?«
    »Dann ist es gut, daß wir draufkommen.«
    Nach der Blutabnahme schiebt man mich in meinem Bett auf den Gang. Eine Stunde wird die Analyse dauern, sagt die Ärztin. In einem kleinen Fernseher an der Wand läuft die Millionenshow . Ich würde gern zu Günther Jauch umschalten, aber es gibt keine Fernbedienung, ich muß mir den gräßlichen Dialekt des ehemaligen Skirennläufers anhören. Um mich abzulenken, rufe ich Daniel an und erzähle ihm, daß ich mit Verdacht auf eine Blinddarmgeschichte ins Spital gebracht worden und deshalb etwas verängstigt bin.
    »Aber wieso?« fragt er. »An einem Blinddarm stirbt man doch nicht.«
    »Ich habe trotzdem Angst!«
    »Aber wieso denn?«
    »Gut, es ist ja nicht der Blinddarm. Jetzt fürchte ich mich vor dem Blutbild!«
    »Aber wieso denn?«
    »Mein Gott, mit dir ist ja nicht zu reden! Bist du denn überhaupt nicht neurotisch?«
    »Nicht daß ich wüßte.«
    Ein arabischer Zeitungskolporteur kommt vorbei. Ich kaufe ihm ein Profil ab. Ich lese einen Artikel über Jungaristokraten, die einen Klub gegründet haben, der für die Wiedererrichtung des Adelsstandes in Österreich kämpft, oder so ähnlich. Ich kann mich nicht recht konzentrieren und lege das Heft weg.
    Nach einer Stunde ist die Analyse noch nicht da. Auch nicht nach eineinviertel Stunden, auch nicht nach anderthalb Stunden. Nach zwei Stunden: Panik. Das dauert so lange, weil sie etwas gefunden haben . Aber was? Irgend etwas Gefährliches natürlich.
    Ich rufe Erwin an. Die Veranstaltung ist in vollem Gang, er

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