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Das bin doch ich

Das bin doch ich

Titel: Das bin doch ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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Zuwendung beantrage. Ich stecke das Schreiben in einen Umschlag, klebe ihn zu, beschrifte ihn und fühle mich etwas besser. Außerdem weiß ich, daß in den nächsten Tagen ein paar Honorare aufs Konto kommen. Das Geld sollte reichen, bis – ja, bis wann? Bis das Land Steiermark mir Geld schickt. Bis ein Wunder passiert. Bis irgend etwas passiert.
    Posteingang (1)
Karen Kablier
Re: Wie geht’s?
7k
    die art und weise zu kommunizieren ist auch immer ein mittel sich zu distanzieren. das habe ich von dir gelernt. und nicht zu kommunizieren ist dein bevorzugtes mittel tom dein bevorzugtes mittel alles auszublenden was du nicht sehen willst. Und dann nach fast fuenf jahren »hallo wie geht’s, was machst du so, waere ja schoen« und BLAH BLAH BLAH .
    this is so fucking sophisticated.
    also was soll das. ich will den markt meiner gefuehle nicht mit aufgesetzten selbstverstaendlichkeiten bedienen lassen.
    mein naechstes ausstellungsprojekt hat den arbeitstitel durchhalten und das ich. und ich sehe den abend den wir zuletzt miteinander verbracht haben vor fuenf jahren eher als zitat dessen was man besser nicht ergruenden sollte: die abgruende verweigerter bourgeoisie. der vorhang war gefallen in dem augenblick wo ich von dir two days after being your sex doll auf meine zugegebenermaßen vielleicht etwas draengenden sms eines mit dem eiskalten inhalt erhalte: lass mich. lass mich, hast du damals geschrieben. ist fünf jahre her. but it’s in my mind.
    ich habe einfach DARAUF keine lust und um mein ausholen noch auszukosten, mir liegt WEIT MEHR an dir als du glaubst und als es dir wert ist.
    also let it flow, it get so mind fucked in this city, living three identities. otherwise there is no need to continue. sorry for being so explicit, its my habit to cope with this kind of coincidences.
    eine schwaeche von frauen sehe ich in ihrem selbsterklaerenden duktus, der ihre mails zu endloser laenge verfuehrt. ich genieße es trotzdem. ich habe die letzten monate mit einem sehr harschen schnellen austausch von ideen, wuenschen und erwartungen in berlin verbracht und fuehle mich einfach deconnected in wien. der einwurf englisher woerter ist nicht der gepriesene wellness slang, sondern my estate of writing emails to people i feel connected to.
    geschriebene sprache ist manchmal unser aergster feind und begeht in unsittbarer weise leichtfertig meuchelmorde.
    I am so bored of that, get and change this
    cheers
    karen
    Ich lege mich wieder ins Bett. Ich nehme den Roman von Hamsun zur Hand. Als ich nach einer Weile bemerke, daß ich nur ins Buch starre, lege ich es weg. Meine Verdauung macht mir erneut Schwierigkeiten. Auch übel ist mir wieder. Ich schwitze. Wenn ich an das Email denke, zucke ich zusammen und rufe: »Jesusmaria!«
    Das Telefon läutet, es ist der Schriftsteller-Schlaks. Ich erzähle ihm von der Bösartigkeit der Bank, mir nicht unbegrenzt Kredit zu geben. Er bedauert mich und fragt, ob ich Zeit hätte, einen kurzen Blick auf einen seiner Texte zu werfen, ehe er ihn abschickt. Wir verabschieden uns, ich gehe zum Computer.
    Das Mobiltelefon läutet. Und weil ich die Angewohnheit habe, meine Adreßliste nur alle paar Jahre zu überarbeiten, steht da jetzt nicht einfach eine Nummer auf dem Display, sondern ein Name: Karen Kablier.
    Ich hebe nicht ab. Drei Minuten später läutet es erneut. Fünf Minuten später noch mal. Ich kann mich nicht auf Daniels Text konzentrieren, ich lege mich wieder ins Bett. Das Telefon läutet. Kurz darauf kommt ein SMS .
    this is so fucking mean .

Zwölf
    Mein Freund Erwin Michenthaler hat in Graz eine Ausstellung. Ich will mir die Eröffnung nicht entgehen lassen, zumal das bei ihm stets groteske Veranstaltungen sind. Am Südbahnhof kaufe ich mir eine Fahrkarte für die erste Klasse. Vermutlich wäre es vernünftiger, erst abzuwarten, ob es in der zweiten Klasse voll oder unangenehm wird, weil ich dann ja noch immer wechseln könnte, aber ich bin zu träge. Außerdem bekomme ich dann keinen Fensterplatz. Und müßte vermutlich jemandem gegenübersitzen, was ich schon gar nicht leiden kann.
    Ehe ich einsteige, gehe ich zum Geldautomaten. Ich muß warten. Vor mir ist ein großer, kräftiger, brutal wirkender Mann an der Reihe. Er braucht lang. Als er fertig ist und sich umdreht, erkenne ich ihn, es ist die österreichische Mundartdichterin, die beim Fernsehquiz eine Million Euro gewonnen hat. Die Sendung habe ich nicht gesehen, doch seither war die Dichterin so oft in Zeitungen und im

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