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Das bin doch ich

Das bin doch ich

Titel: Das bin doch ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Glavinic
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skrupellose Korn fotografiert mich, als ich die Hohlhippe in den Mund schiebe.
    Er erzählt mir, er und seine Freundin wollen vielleicht noch ein Kind, aber diesmal ein adoptiertes. Er hätte gern ein schwarzes, eines aus Uganda, dort war er und dort ist es wunderbar. Ich frage ihn, wieso sie es nicht selber machen, wozu einfliegen lassen.
    »Auf keinen Fall. Ich liebe Kinder, aber ich will nicht selbst dafür verantwortlich sein, was sie sind.«
    »Wieso? Das ist doch das Schöne – man gibt seine Gene weiter, man sieht, was man gemeinsam mit einem Menschen produziert hat, den man liebt.«
    »Nein, genau das ist das Üble«, sagt er und knipst mich. »Ich will meine Gene nicht weitergeben. Wollte ich nie.«
    Mir wird klar, daß das stimmt – er wollte es wirklich nie. Sein Selbsthaß ist enorm, und er hatte ihn schon vorher.
    Als ich hier angelangt bin mit meinen Überlegungen, kommt mir der Gedanke, Korn könnte diese kleine Diskussion nur inszeniert haben, um mich lebhaft werden zu lassen und lebendigere Bilder zu bekommen. Ist er nun sehr schlau, oder bin ich sehr paranoid? Ich verzichte darauf zu fragen, und wir verabschieden uns.
    Ich rufe Gerrit an, meinen niederländischen Übersetzer, der seit einigen Wochen in Wien lebt. Wir hatten gestern vereinbart, ich melde mich, wenn ich in der Nähe bin.
    »Hallo?«
    »Hallo Eiergespenst, wer sagt Sau zum Hengst?« rufe ich sinnlos.
    »Wie bitte?«
    »Na, du Hühnermanöver! Was ist los? Zeit?«
    »Wen wollen Sie sprechen, bitte? Wer sind Sie?«
    »Äh? Ääääh? Thomas hier. Glavinic. Bist das nicht du, Gerrit?«
    »Hier ist Robert Menasse.«
    »Holla. Bah. Broah. Äääää…ntschuldigung, Verzeihung, ich wollte Sie nicht… ich meine…«
    »Schon in Ordnung.«
    »Öhm, ja, hmmm, also wirklich…«
    Menasse ist freundlich und verzeiht mir. Wir kennen einander persönlich nicht, er schlägt vor, wir könnten uns mal in seinem Stammcafé, dem Sperl , treffen. Sehr nett, sage ich. Ich begreife allmählich. Früher hat Gerrit, wenn er in Wien war, in Menasses Wohnung gewohnt, und in dieser Zeit war Menasse meist in Amsterdam. Statt Gerrit habe ich Gerrit Wien gewählt. Aber Gerrit ist nun Gerrit , denn so habe ich es Tage zuvor eingespeichert, und Gerrit Wien ist noch immer Robert Menasse. Mit irrem Lachen verabschiede ich mich.
    Zu Hause alles ruhig, offenbar sind sie noch im Zoo. Ich setze mich vor den Fernseher. Es läuft ein alter Don-Camillo-Film. Eigentlich wollte ich lesen, aber ich komme nicht vom Bildschirm weg. Ich verstehe genau, warum diese Filme genial sind, es liegt einerseits an den zwei Feinden, die in Wahrheit Freunde sind, und das ist tröstlich, und es liegt andererseits an Jesus, der zu Camillo spricht, und das ist noch tröstlicher. Ich verstehe diesen Film, aber das ändert doch nichts daran, daß ich mir immer wieder die Augen wischen muß.
    Ich schreie mich an, schlage mir auf die Backe, aber es hilft nichts, ich bin gerührt. Erst als der Film aus ist, werde ich wieder vernünftig. Ich lege mich hin und versuche in den recht verschwurbelten Roman eines unbekannten Südamerikaners hineinzufinden, aber es gelingt mir nicht. Statt dessen schnappe ich mir die Autobiographie einer ehemaligen Pornodarstellerin.
    Eine Stunde lese ich, dann ist das Buch aus, und ich setze mich an den Computer. Keine Mails. Ich schreibe Daniel ein SMS . Er schreibt zurück, er kann jetzt nicht, weil er bei einem Essen mit dem Außenminister von Brasilien sitzt, Gilberto Gil ist auch da. Richtig, ich hatte es vergessen, Daniel ist diese Woche mit dem deutschen Außenminister in Südamerika unterwegs. Ich rufe die Homepage der Austrian Airlines ab und lese, was da über Flugangstseminare steht. Das nächste wäre im Sommer. Ich schreibe ein Email, ob noch Plätze frei sind. Zugleich frage ich mich, was ich mache, wenn sie wirklich etwas frei haben.
    Die drei kommen nach Hause. Sie erzählen mir vom Tierpark, ich höre müde zu, unauffällig trage ich ein Bier in mein Arbeitszimmer. Else zeigt mir ein gerahmtes Foto, das ich gut kenne. Jahrelang hing es im Büro meiner Mutter. Ich bin darauf zu sehen, ich bin etwa acht Jahre alt.
    »Hat sie mir geschenkt«, sagt Else.
    »Wie, geschenkt?«
    »Weil sie Angst hat, es könnte herunterfallen.«
    Wir wechseln einen Blick. Sofort ist mir alles klar. Meine Mutter ist sehr abergläubisch. Daß das schon solche Formen angenommen hat, war mir aber nicht bewußt. Ich weiß, was sie denkt: Wenn mein Bild herunterfällt, ist mir

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