Das bisschen Haushalt
„Hat sie wohl. Außerdem hat sie keine Aufsatztaschen.“ Aha, daher weht der Wind. Aufsatztaschen sind derzeit ein unabdingbares Accessoire für Paul. Das werde ich nicht dulden. „Du ziehst die Hose an! Keine Diskussion!“ „Ich will aber meine Rangerhose anziehen!“ „Nein, nein, nein! Diese Hose und keine andere.“ „Du bist so fies. Die Rebecca darf auch ein anderes T-Shirt nehmen.“ Stimmt, da hat er recht. Wo ist der Unterschied? „Dann hol’ dir halt deine blöde Rangerhose. Wir besprechen das heute Abend mit Mami.“ Elf Minuten später als sonst verlassen wir das Haus.
Freitag, 18. Juli
Ich habe keine Lust, diese dämliche Rede zur Eröffnung einer Vertriebstagung zu schreiben - das kann ich auch noch nächste Woche in Angriff nehmen. Der Kunde braucht die Rede erst Ende des Monats, das kann also warten. Überhaupt ist mir heute nicht nach Arbeiten zumute. Ich öffne lieber meine 10-Punkte-Liste - da ist ja noch längst nicht alles erledigt. Aha, hier: Punkt Acht! Anschaffung neuer Spielgeräte prüfen - das könnte ich mir für heute vornehmen. Mein Plan ist, den Garten für die Kinder attraktiver zu machen, eine Schaukel oder einen Sandkasten anzuschaffen.
Ich schnappe mir ein Klemmbrett samt Block und begebe mich in den Garten. Von der Terrasse aus habe ich einen guten Überblick. Mit groben Strichen skizziere ich unser Grundstück, trage das Gemüsebeet, den Teich, die Apfelbäume und die Eiche ein. Das langt völlig für die weitere Planung. Wieder zurück im Büro, lege ich meine Zeichnung auf den Kopierer. Jetzt kann ich verschiedene Entwürfe machen. Also, eine Schaukel hätte hinten links Platz. Oder, nein, doch nicht - da hat’s zu wenig Raum zum Schwung holen. Auch zwischen den Rosen ist es zu eng. Mitten auf den Rasen will ich sie auch nicht stehen haben. Überhaupt: Eine Schaukel kann ich ja eigentlich gar nicht selbst bauen, fällt mir ein. Und eine kaufen will ich auch nicht - viel zu teuer.
O. k., dann gibt’s eben einen Sandkasten. Vier Bretter zusammennageln, mit Sand füllen, fertig ist die Kiste. 1,5 x 1,5 Meter müssten reichen. Zwischen Gemüsebeet und Teich wäre ein idealer Standort. Ich zeichne den Sandkasten in meinen Plan ein. Passt perfekt! Aber halt: Paul spielt ja gar nicht mehr im Sandkasten - viel zu langweilig für ihn. Sandkuchen backen, Sandburgen bauen und Sandautobahnen konstruieren - alles Babykram. War gestern, ist heute völlig uncool. Also, dann keinen Sandkasten. Zeichnung in den Müll.
Neues Blatt, aber keine neue Idee. Ich starre auf den Plan und warte auf eine Eingebung. Da diese auch nach einer Viertelstunde nicht kommt, gehe ich abermals hinaus in den Garten und hoffe, dass mich die unmittelbare Umgebung inspiriert. Genau! Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen? Ich könnte ein Fußballtor zimmern und vor dem Teich aufstellen. Oder, nein! Doch kein guter Gedanke. Erstens spielt Rebecca keinen Fußball und zweitens habe ich keine Lust, den Ball ständig aus dem Teich zu fischen.
Als ich zu den drei Apfelbäumen hinüberschaue, kommt der rettende Einfall. Natürlich! Ein Baumhaus! So eins, wie wir es früher hatten, richtig hoch oben in der Baumkrone, mit Dach und Wänden und einer Türe. Ich betrachte die drei Bäume: Der rechts kommt nicht infrage, der ist zu klein, aber die beiden anderen wären von der Größe her geeignet. Ich muss gleich untersuchen, wo genau wir das Baumhaus errichten. Die Äste sind gut gewachsen und so komme ich ohne Schwierigkeiten den Stamm hoch. Als ich mich jedoch weiter hocharbeiten will, bleibe ich an einem abgebrochen Ast hängen. Au, das tut weh - ein tiefer Kratzer ziert jetzt meinen rechten Unterarm und ein braun-grüner Streifen mein beigefarbenes Polohemd. Doch ein Baumhauskonstrukteur kennt keinen Schmerz! Ich hangele mich weiter zu einer Astgabelung, die mir stabil genug erscheint, die Plattform für unser Baumhaus zu tragen. Ja, das könnte funktionieren. Ich müsste nur die dünneren Äste ausschneiden und schon wäre genügend Platz.
Jetzt blicke ich erstmals wieder nach unten. Mist, ist das hoch! Wenn hier einer runterfällt, dann kann das böse ausgehen. Mir wird ganz schwindelig. Ich beschließe, hinabzusteigen. Vielleicht gibt es ja auf dem anderen Baum eine bessere Stelle, die nicht ganz so weit oben ist. Vorsichtig taste ich mit den Füßen nach einem sicheren Tritt. Genau in diesem Moment kommt Frau Kunkel auf dem Weg hinter dem Haus, der direkt an den Apfelbäumen entlangführt, vorbei.
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