Das bisschen Haushalt
bringen. Nein, mal ganz ehrlich: Du weißt, gleich fängt dein Abend an, Zeit für dich und die Zeitung. Doch davor gilt es, einige Prüfungen zu bestehen. Zunächst müssen Paul und Rebecca eingefangen werden - freiwillig würden sie sich nie in ihre Zimmer begeben, den Schlafanzug anziehen, zu mir kommen, ein „Gute-Nacht-du-weltbester-Papi“ hauchen und sich dann ins Bett legen. Stattdessen haben es sich die beiden angewöhnt, sich hinter der Couch, im Heizungskeller oder unter der Treppe zu verstecken. Mittlerweile ein lieb gewordenes Ritual, beginne ich damit, die üblichen Verstecke abzuklappern.
Heute Abend haben sie sich etwas Besonderes einfallen lassen: Sie hocken in der Abstellkammer. Es dauert nur eine Viertelstunde, bis ich sie finde. „Jetzt aber flott!“
Das Ausziehen klappt schon ganz gut - einzig: Ich muss die achtlos, über das ganze Zimmer verteilten, Kleidungsstücke einsammeln, selbige wieder umkrempeln und dann zur Schmutzwäsche geben. Heute ging’s im Rekordtempo: nur zwei Minuten fürs Umziehen. Ich frage nach: „Habt ihr euch auch gewaschen?“ „Hmmm“, schallt es zurück. „Heißt das Ja oder Nein?“ „Hmmm.“ Ich schaue ihnen tief in die Augen und weiß Bescheid. Also, Schlafanzug noch mal raus, Waschlappen nass machen, selbigen benutzen, abtrocknen, wieder anziehen, Zähne putzen, Pfützen im Bad beseitigen. Eigentlich wäre schon jetzt die reguläre Bettgehzeit erreicht, aber das Versprechen, jedem noch vorzulesen, will ich nicht brechen. Rebecca sucht sich aus „Ich komme in die Schule“ und Paul will aus den „FußballKrimis der drei ???“ vorgelesen haben. Wir setzen uns auf die Couch, ich lese, sie hören. Mein Hals wird trocken, die Kehle rau - ich hole mir ein Glas Wasser aus der Küche, was die beiden spontan daran erinnert, dass sie ebenfalls dem Verdurs-tungstod nahe sind.
„Ich will noch ’ne Milch“, fordert Rebecca „aber eiskalt!“ „Dad, für mich noch einen warmen Kakao!“ Ja, bin ich denn Kellner oder Barkeeper? „Ihr habt schon Zähne geputzt, es gibt nichts mehr!“ „Papa, ich hab’ so einen Durst, gaaaanz ehrlich.“ Rebecca schaut mich mit geweiteten, Hilfe suchenden Augen an. Auch Paul befürchtet Spätfolgen für seine physische und psychische Entwicklung, wenn er hier und heute infolge einer akuten Dehydration zusammenklappe. Ich bin schwach und erfülle die Getränkewünsche. 32 Minuten ist die Bettgehzeit nun schon überschritten und noch ein Kapitel der „drei ???“ steht aus. Ich bin müde. Endlich ist die letzte Seite gelesen und ich kann den Marschbefehl erteilen.
So wild und widerborstig sie tagsüber sind, so kuschelbedürftig werden sie abends. Sowohl Rebecca als auch Paul bestehen darauf, dass ich mich mindestens noch fünf Minuten zu ihnen lege. Wir sprechen dann meist darüber, wie der heutige Tag verlaufen ist und was morgen ansteht. Ich beginne bei Paul. Kurz bevor die fünf Minuten vorüber sind und sich Pauls Aktivitätsniveau schon deutlich reduziert hat, fällt mir ein, dass die Zähne ob des zuvor eingenommenen Kakaos nochmals zu säubern sind. Ich scheuche ihn auf und schicke ihn ins Bad. Ein Fehler. Jetzt ist er wieder hellwach. Ich erkläre, dass er sich nun allein hinlegen müsse, weil ich noch zu seiner Schwester ginge. Dort angelangt, verfüge ich ebenfalls die erneute Gebissreinigung. Während sie gemächlich zum Waschbecken trabt, lege ich mich schon mal in ihr Bett. Ich merke, wie mich die Müdigkeit übermannt. Das Letzte, was ich aus dem Bad höre, sind Satzfetzen, die folgende Wörter beinhalten „Zahnpasta - Klobrille
- Papa wohl sagt“.
Mittwoch, 23. Juli
Paul soll ein Instrument lernen. Am liebsten Klavier. Er soll musikalischer werden als sein Vater, der nicht einmal die Noten zu „Happy Birthday“ lesen kann. Er soll später mal den Pianisten in der Hotellobby charmant bitten, den Platz für ihn zu räumen und dann ganz lässig Chet Baker’s „The Wind“ spielen. Die anderen Gäste wären beeindruckt. Vielleicht würde er auf diese Weise sogar seine Frau finden - eine elegante Industrieellenerbin, die zufällig an der Bar stünde und seinem Spiel lauschte? Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg, wie ich heute erkenne, als ich mit ihm zum Klavierunterricht fahre. Über Carolas Freundin Simona hatten wir die Adresse einer Musiklehrerin bekommen, die zum einen besonders einfühlsam ist, also mit Kindern sehr gut umgehen kann, und die andererseits eine eigene, äußerst erfolgreiche
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