Das bisschen Haushalt
Methode entwickelt hat, Fünf- bis Zehnjährigen das Tastenspiel beizubringen. Paul hatte bereits einige Stunden hinter sich, zeigte sich halbwegs lernbegierig und beherrschte bereits den mitreißenden Gassenhauer „Alle meine Entchen.“
Heute jedoch hat Paul keinerlei Lust, zu Frau Moderson zu gehen, Fingerübungen zu machen, die Tonleiter hoch und runter zu spazieren und ein neues Stück einzustudieren. „Dad, ich will kein Klavier mehr machen.“ „Aber, mein Junge, das kann doch nicht sein. Du hast doch tolle Fortschritte gemacht. Und Mama und Papa sind sooooo stolz auf dich.“ „Ist mir egal. Ich mag nicht.“
Na ja, eigentlich wäre ich ja auch ganz froh, er würde dieses Kapitel beenden - die Fahrten in die Stadt, der kräftezehrende Kampf, ihn zum täglichen Üben zu zwingen, die Kosten für den Klavierstimmer - all das würde entfallen, uns neue zeitliche und finanzielle Spielräume verschaffen. Keine nervtötenden Adventskonzerte mehr mit Einlagen aller siebzehn Klavierschüler und stolz fotografierender Eltern, die bei „Oh Tannenbaum“ ihrer Tochter in orgiastische Verzückung verfallen. Wir könnten das Klavier verkaufen und den frei gewordenen Platz für eine Modelleisenbahn nutzen, welche der Vater auch mal ... „Stopp, so darfst du nicht denken“, sage ich mir und verdeutliche Paul stattdessen die Vorteile, die es mit sich bringt, wenn man das Klavierspiel beherrscht. Ich referiere über den Wert musikalischer Früherziehung, die positiven Einflüsse auf das mathematische Denken und über die Entspannung, welche einen beim Musizieren durchflutet. „Ist mir egal. Ich mag nicht.“
Ich erkläre ihm, er würde keine Frau finden, wenn er nicht Klavier spielen könne: „Du wirst nie an einem Hotelklavier sitzen und die Damen beeindrucken.“ Er müsse auf ewiglich einsam durch das Leben streifen. Er will von mir wissen, wie ich Mama kennengelernt hätte. O. k., der Punkt geht an ihn.
Ich frage Paul - mittlerweile sind wir nur noch wenige Minuten von Frau Modersons Wohnung entfernt -, ob es denn ein anderes Instrument gäbe, das er lieber spielen würde. „Schlagzeug!“ Das hatte ich befürchtet. „Kommt nicht infrage! Wie wäre es mit Blockflöte?“ Ein entsetzter Blick zeigt mir, dass mein Vorschlag nicht ganz der Richtige war. „Ich will E-Gitarre spielen!“ Ich antworte: „Ist mir egal. Ich mag nicht.“
Inzwischen sind wir vor Frau Modersons Wohnung angekommen. Sie bittet uns herein und blickt mich mit traurigem Gesicht an. Sie müsse mit mir reden. Leider könne sie den Klavierunterricht nicht fortsetzen - ihr Mann müsse berufsbedingt nach Hamburg umsiedeln. Sie würde natürlich mit ihm gehen. Alles hätte sich ganz kurzfristig ergeben. Ich wisse ja, wie das sei in der heutigen Wirtschaftswelt. Bereits nächsten Monat würden sie umziehen. Ich setze eine betroffene Mine auf und jubele innerlich. Allerdings nur kurz, denn mir wird klar, dass wir jetzt die Frage nach dem nächsten Instrument beantworten müssen. Und mir wird bewusst, dass Paul nie eine Frau finden wird.
Donnerstag, 24. Juli
Von wem er das nur hat? Ich jedenfalls brachte nie Strafarbeiten mit nach Hause. Gut, ein- oder zweimal, da kann ich mich jetzt nicht mehr so genau erinnern; vielleicht auch öfter. Nun, das tut ja auch hier nichts zur Sache. Jedenfalls ist der Sünder reuig. Als Sohnemann und ich an Pauls Schreibtisch Platz genommen haben, um mit den Hausaufgaben anzufangen, gesteht er mir: „Du, Paps, ich muss da noch so einen Aufsatz schreiben.“ „Das steht aber gar nicht in deinem Aufgabenheft.“ „Tja, das kommt daher, dass nur ich diese Arbeit zu erledigen habe.“ „Wieso denn?“
Paul setzt zu einer langatmigen Erklärung an: Also, der Tom hätte im Matheunterricht dem Lorenz seinen blauen Füller weggenommen, weshalb der Lorenz den Tom unter dem Tisch getreten hätte, woraufhin der Tom den Lorenz in die Rippen geknufft hätte, was zur Konsequenz hatte, dass der Lorenz zur Seite gekippt wäre und dabei ihn, den Paul, angestoßen hätte und er infolge des mächtigen Stoßes vom Stuhl gefallen sei.
„Hmmm, so war das also.“ Ziemlich eindeutig eine Märchengeschichte. „Deswegen bekommt man keine Strafarbeit, zumindest nicht du. Wie war’s denn wirklich?“ Paul hält steif und fest an seiner Version fest. Ich erkundige mich nach dem Thema des Aufsatzes. „Wieso ich meine Mitschüler nicht ärgern darf!“ Mindestens eine Seite Umfang sei erforderlich, gern auch mehr, hätte die Lehrerin
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