Das bisschen Haushalt
gesagt.
„Du musst über das Ärgern von Klassenkameraden schreiben, weil du vom Stuhl gefallen bist?“, blicke ich ihn fragend an. Ich lasse es dabei bewenden und setze meine inquisitorische Befragung nicht fort. Ist es pädagogisch vertretbar, wenn ich Paul bei der Anfertigung seines Strafaufsatzes helfe? Müsste er diesen nicht ganz selbstständig verfassen, sich peinigen als Zeichen seiner Sühne, Höllenqualen durchstehen, bis er das DIN A4-Blatt gefüllt hat? Neulich, als er eine Mitschülerin mit dem netten Prädikat „Schnitzelgesicht“ belegt hatte, musste er einen Entschuldigungsbrief formulieren - den ließ ich ihn damals ganz allein schreiben. Das hatte zweieinhalb Stunden gedauert und unsere gesamte Nachmittagsplanung über den Haufen geworfen. Das möchte ich heute nicht nochmals haben, denn wir wollen später noch in die Stadt fahren, ein Geburtstagsgeschenk für Oma Irene besorgen. Das ist unaufschiebbar, denn morgen ist bereits ihr Ehrentag. Ich entscheide mich daher, ihn zu unterstützen, was Paul auch dankbar annimmt und mir eilig den Schreibblock zuschiebt.
„So war das nicht gedacht, Freundchen. Ich helfe dir nur beim Gedankensammeln - zu Papier bringen musst du das schon.“ Unser Brainstorming ist nicht sonderlich ertragreich. Paul summt sinnlos vor sich hin wie eine Fliege in der Klebefalle. Schließlich bringt er ein, dass das Ärgern von Mitschülern deshalb nicht gut sei, weil das die Lehrer nicht gut fänden. Super Logik! Ich schlage vor: Weil das die gesamte Klassengemeinschaft vom Unterricht ablenkt. Warum hat sie ihm nicht einfach aufgegeben, 25-mal den Satz: „Ich darf meine Mitschüler nicht ärgern.“, abzuschreiben? Dann wären wir längst fertig und könnten ein Geburtstagsgeschenk kaufen. So sitzen wir immer noch hier und martern unser Hirn.
Ich tippe eine SMS an Carola: BRAUCHEN INPUT FÜR STRAFARBEIT: WARUM DARF ICH MITSCHÜLER NICHT ÄRGERN? Carolas Antwort verschafft uns wertvolle Anregungen. Respekt vor dem anderen, Kant’scher Imperativ und Einhalten von Regeln sind die Stichworte, die sie uns zusimst. Daraus lässt sich was machen.
Mit doppelt so großer Handschrift wie gewöhnlich und Leerzeilen zwischen den Absätzen schaffen wir gerade so eine Seite. Hat nur eindreiviertel Stunden gedauert. Für die Besorgung des Geburtstagsgeschenkes ist es nun zu spät. Oma wird einen Gutschein bekommen - vielleicht für Siegfried Lenz’ Buch „Die Deutschstunde“ oder Alexander Solschenizyns „Der Archipel GULAG“.
Freitag, 25. Juli
Rebeccas Tage im Kindergarten sind gezählt. Ab September wird sie in die Schule gehen. Vorher stehen noch zwei Events an: Heute das Mitmach-Theaterstück „Knöxer - und du?“ und dann nächste Woche ihr „Rauswurf“ aus dem Kindergarten, also die offizielle Verabschiedung der Vorschüler. Die Eltern sind ausdrücklich zum Besuch des Mitmachtheaters eingeladen! Rebecca hatte mit Nachdruck darauf bestanden, dass wenigstens ich - wo Mama doch so beschäftigt sei - mitkäme. Ich konnte also gar nicht anders, als mich um 10:00 Uhr im Kindergarten einzufinden. Ein liebevoll von Kathleen - der Kinderpflegerin im Praktikum - gemaltes Schild wies den Weg zur Veranstaltung: zwei Treppen hoch, dann rechts, in den Turnraum. Dort hatte der Elternbeirat Bierbänke aufgestellt, um den Zuschauern eine Sitzgelegenheit zu bieten. Die Kinder durften ganz vorn, auf dem Boden, sitzen.
Freudig begrüßt mich Rebecca, als sie mich erblickt, und zeigt mir stolz den Platz, den sie mir frei gehalten hat: direkt neben Ursula. Ursula! Meine Spezialfreundin. Na klasse! Die stellvertretende Elternbeiratsvorsitzende, Supermami und Ernährungsexpertin. Die eine Stunde werde ich auch rumbringen. „Hallo Ursula, schön dich wiederzusehen“, heuchle ich. „Hi Martin-Niels. Gut, dass ich dich treffe. Ich wollte mit dir noch über das Abschiedgeschenk der Vorschüler für die Erzieherinnen reden. Da müssen wir unbedingt was machen für nächste Woche.“ „Klar, kein Problem. Die kriegen alle ’ne Flasche guten Wein.“ „Um Gottes Willen! Du kannst doch keinen Alkohol verschenken. Nein, das muss schon was anderes sein.“ „An was hast du denn gedacht?“ Prompt hat sie eine Antwort parat: „Ich hab’ mir überlegt, die würden sich bestimmt über eine Aromabar freuen.“ „Hä? Über was?“ „Über eine A-r-o-m-a-b-a-r!“ „Bar -also doch was Alkoholisches?“ „Ihr Männer kapiert auch gar nix - das ist eine Zusammenstellung ätherischer Öle zur
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