Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)
faltigen Hamsterbäckchen klebte verschmiertes Rouge. Sie hatte rosafarbenes Lipgloss aufgetragen und ihre Wimpern getuscht, aber ein müder Zug lag um ihre Augen. Sie war mindestens Ende fünfzig. Darüber konnten weder Schmuck noch Schminke hinwegtäuschen. Niki hätte sie am liebsten umarmt, so sehr rührte sie Tamaras vergeblicher Kampf gegen das Alter.
»Und?« erkundigte sich Tamara. »Wie war’s beim Shiatsu?«
»Wozu fragen? Ihre Schreie waren bis zur Rezeption zu hören«, erwiderte eine Stimme, die in Nikis Ohren so schrill klang wie eine Kuchengabel, die einen Porzellanteller ritzt.
»Ach, wirklich?« Ergriffen sah Tamara Niki an.
»Rückt mal beiseite, Mädels«, sagte Walburga und drängelte sich zwischen die beiden. »Ich will alles wissen, solange sie noch nachdieselt. Also? Wie hat er’s dir gemacht?«
»Gar nicht. Es war so langweilig, dass ich eingeschlafen bin«, schwindelte Niki. »Keine Ahnung, was ihr an ihm findet.«
Skeptisch betrachtete Walburga Nikis gerötetes Gesicht. »Netter Versuch. Aber in solchen Dingen bin ich nun mal Profi. Du siehst total durch den Wind aus.«
Niki winkte Leo zu, der sich etwas entfernt niederließ. Er hatte sichtlich Mühe, seine Plattfüße in das Bassin zu heben.
»Ach was. Hab mich schon besser amüsiert«, behauptete sie.
»Hier gibt es keine Frau zwischen sechzehn und sechsundneunzig, die nicht voll abdreht, wenn es um Mario geht«, schnaufte Walburga entrüstet. »Und falls du denkst, dassdeine schauspielerischen Fähigkeiten für Hollywood reichen, hast du dich geschnitten. Du bist heiß wie ein Vulkan.«
»Finde ich auch«, sprang Tamara ihr bei. »Und wie deine Augen glänzen!«
Die beiden wollten sie in die Enge treiben. Niki wusste nicht weiter. In diesem Augenblick erschien eine hübsche junge Frau in einem weißen Kittel an der Tür.
»Telefon für Frau Michels!«
Das musste eine Verwechslung sein. Niemand wusste, wo sie sich aufhielt.
»Frau Michels?«
Niki machte sich ganz klein. Einfach so tun, als hätte sie nichts gehört.
»Ist hier!«, rief Walburga.
So eine Verräterin. Das würde Niki ihr heimzahlen, und zwar mit Anlauf und Kawumm.
Widerstrebend zog sie ihre Füße aus dem Wasser. Dann folgte sie der jungen Frau zum Empfangsbereich der Wellnessabteilung, einem gedimmt beleuchteten Raum mit Bambusmöbeln und Vitrinen voller Kosmetika. Gebeutelt von dunklen Vorahnungen, griff sie zu dem Hörer, den man ihr hinhielt.
»Ja?«, fragte Niki bang.
»Bist du wahnsinnig geworden?«, bellte es am anderen Ende der Leitung.
Niki sank auf einen der Bambusbarhocker vor dem Anmeldetresen. Sie bestand nur noch aus schlechtem Gewissen.
»Oh, äh, hallo Schatz. Wie hast du mich gefunden?«
»Mit Hilfe der Polizei«, rief Wolfgang wütend. »Sie haben die Passagierlisten der Fluggesellschaften gecheckt, nachdem ich alle Krankenhäuser abgeklappert habe. Ein Erste-Klasse-Flug nach Zürich! Geht’s noch?«
So ein Mist aber auch. Hatte sie wirklich geglaubt, sie könnte sich unsichtbar machen? Instinktiv zog sie den Kopf ein.
»Und dann?«
»Die Kreditkarte, Annika. In besonderen Fällen bekommt man Auskunft. Beauty Resort Vitalis am Zürichsee. Zusammen mit dem Flug sind das dreißig Mille. Du hast uns ruiniert! Ist dir das eigentlich klar?«
Das stimmte nicht. Wolfgang sparte auf einen Porsche. Und auf einen eigenen Fitnessraum. Geld war schon da, nur war es eben verplant. Für Wolfgang. Dennoch zerbröselte Niki wie ein vertrocknetes Croissant. Tränen traten in ihre Augen.
»Entschuldige. Ich wollte doch nur …«
Wolfgang schrie mittlerweile. »Gnädige Frau lassen sich die Fingernägel mit purem Gold lackieren, oder was? Du setzt dich jetzt auf der Stelle in einen Zug und kommst nach Hause. Ich habe schon mit dem Hotel verhandelt. Vielleicht kriegen wir das Geld zurück, wenn ich dich für unzurechnungsfähig erklären lasse. Verflucht noch mal, so was wie du gehört in die geschlossene Abteilung!«
Das war schlimmer als ein Schlag ins Gesicht. Niki begann zu weinen. Sie hatte alles falsch gemacht. Die Rettungsaktion für ihre Ehe ging soeben mit Pauken und Trompetendaneben. Begriff Wolfgang denn gar nicht, dass sie das alles aus Liebe tat? Für ihn, nur für ihn? Sie war so aufgelöst, dass sie nicht merkte, wie ihr jemand auf die Schulter tippte.
»Annika?«
Sie fuhr herum und blickte in Marios sanfte Augen. Er lächelte breit und hielt ihr seine Fäuste vors Gesicht.
»Nicht vergessen«, flüsterte er. »Immer schön
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