Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)
Frau Michels ist eine verdammte Musterschülerin, was die Kur betrifft. Wenn Sie Ihre dunklen Fantasien ausleben wollen, gehen Sie doch ins SM-Studio!«
Für einen Moment sah es so aus, als würde Doktor Mannheimer seine Fassung verlieren. Er bedachte Walburga miteinem sehr merkwürdigen Augenaufschlag. Nicht nur böse, auch interessiert. Doch er hatte sich schnell wieder im Griff.
»Das habe ich überhört. Ich werde etwas zur Beruhigung des Magens vorbeibringen lassen, Frau Michels. Morgen sehen wir uns nach meiner Sprechstunde. Um zwölf. Das ist alles.«
Mit zackigen Bewegungen ging er aus dem Zimmer und schlug die Tür knallend hinter sich zu.
»So ein Ekelpaket«, schimpfte Walburga. »Der ist doch selbst reif für die Klapsmühle. Solche Typen kenne ich. Ich schwöre dir, wenn der in meinen Puff käme, würde er die Mädels am Hundehalsband spazieren führen.«
Niki wollte sich das lieber nicht vorstellen. »Und wie geht es jetzt weiter?«
»Du bleibst im Bett, beim Abendessen sehen wir uns wieder. Und vergiss nicht, das lila Teil anzuziehen. Danach zeige ich dir, wie man den elektrischen Hausfreund aktiviert. Du brauchst mal Abwechslung.«
Das fand Niki zwar überhaupt nicht, aber Walburga meinte es zweifellos gut. Sie war einfach umwerfend. Eine echte Freundin, die mit ihr durch dick und dünn ging. Vor allem durch dick.
Niki musste unwillkürlich lächeln. »Walburga?«
»Ja?«
»Ich hätte da einen Vorschlag.« Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen. »Was hältst du davon, wenn wir doch in das Doppelzimmer ziehen? Das mit dem Seeblick?«
Seit geraumer Zeit stand Niki nun schon vor dem Badezimmerspiegel und bürstete ihr Haar. Sie trug das lila Kleid, die Kette und die Pumps. Ganz sicher war sie allerdings nicht mehr, ob sie in diesem Aufzug nun Top oder Flop war. Sie würde alle Blicke auf sich ziehen, und das machte ihr ein bisschen Angst. Verstecken war einfacher.
»Kann ich wirklich so zum Abendessen gehen?«, fragte sie.
Walburga lehnte an der Badezimmertür. Ihr Outfit war noch exotischer als sonst. Eine unförmige schwarze Lederhose und ein weit ausgeschnittenes Netz-Shirt in Kobaltblau gaben ihr das Flair einer furchteinflößenden Domina. Wohlgefällig betrachtete sie Niki.
»Hast du noch alle Latten am Zaun? Du siehst Bombe aus.«
»Wenn du meinst …«
Niki ging an ihr vorbei auf den Balkon. Sie war heilfroh, dass sie jetzt mit Walburga ein Zimmer teilte. Der Umzug war eine Kleinigkeit gewesen. Tamara und Alexis hatten mitgeholfen, Nikis Sachen einzupacken und am neuen Ort zu verstauen. Das öde Zimmer zum Hof war Vergangenheit. Jetzt wohnte sie mit dem abgefahrensten Gast der Klinik in einem großzügigen Doppelzimmer mit Seeblick, wo man nur das Gezwitscher der Vögel hörte und von Zeit zu Zeit das Tuten der Ausflugsdampfer.
Sie lehnte sich an die Balkonbrüstung und atmete tief. Die Sonne verschwand gerade hinter den Bergen, der See färbte sich rötlich. So, genau so, hatte sich Niki alles vorgestellt.Aus ihrem Tagtraum war Realität geworden, vielleicht ein gutes Omen.
Ob sich auch ihre anderen Träume erfüllen würden? Was Wolfgang wohl in diesem Moment tat? Ob er auch genug aß? Wie hatte er ihre Steaks geliebt, ihre selbstgemachte Mousse au Chocolat. Wenigstens im Hinblick auf das Essen war Niki nicht zu schlagen. So wie das Mädel in seinem Arm ausgesehen hatte, konnte die nicht mal Butterbrote schmieren.
»Verdammt schön hier, was?«, riss Walburga sie aus ihren Gedanken. Mit großer Geste zeigte sie auf den See und die Berge. »Geile Location. Man sollte sich irgendwann hier zur Ruhe setzen.«
»Du denkst doch nicht im Ernst schon über deine Rente nach?«, fragte Niki.
»Wer redet denn von Rente? Eine nette, kleine Pension mit zehn Zimmern, das wär’s. Ein paar wenige Gäste, kein Ärger mehr. Manchmal denke ich nämlich daran, aufzuhören. Die Kunden gehen mir umso mehr auf den Zeiger, je älter ich werde. Männer sind wie Kinder. Als Puffmutter erträgt man das ja noch. Aber ich will nicht als Puffoma enden, mit einem Kindergarten auf Testosteron.«
Solche nachdenklichen Töne von Walburga waren neu.
Niki sah auf das Wasser, das sich hinter einem Ausflugsdampfer kräuselte. »Wenn du es wirklich willst, schaffst du das sicher. Du schaffst sowieso alles.«
»Soso. Na ja …« Walburga ging zurück ins Zimmer. »Auf zum Festmahl!«, rief sie Niki zu. »Aber nicht spucken, nurschlucken. Das sage ich immer meinen Mädels, wenn die Kunden es mit dem Mund
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