Das bisschen Kuchen: (K)ein Diät-Roman (German Edition)
nach wie vor heiklen Stelle, an der sie ihre Handflächen neben den Füßen ablegen sollte. So weit sie sich auch vorbeugte, ihre Hände zappelten nur in Kniehöhe. Auch Walburga versuchte vergeblich, den Boden zu erreichen.
»Mist, verdammter«, fluchte sie leise. »Bin ich ein Akrobat oder was?«
»Ruhe dahinten!«, keifte es durch den Raum. Frau Grossmannschien wirklich böse zu sein. »Yoga lebt von der Kontemplation!«
»Wie – Kon…plem?« Walburga richtete sich auf.
Niki konnte ihren Lachanfall kaum unterdrücken. »Plemplem, hat sie gesagt, ich hab’s genau gehört. O Mann, ich schmeiß mich weg!«
»Ich muss Sie leider bitten, den Raum zu verlassen!«, kam es erbost von vorn. »Wir brauchen hier Ruhe und Konzentration!«
»Schon klar!«, rief Walburga fröhlich. »Wir machen draußen weiter!«
Als sie die Tür zum Yogaraum hinter sich geschlossen hatten, setzten sie sich auf eine gepolsterte Bank, die von zwei Palmen eingerahmt wurde. Das Fenster gegenüber bot eine großartige Aussicht auf den See.
Niki wischte sich eine Lachträne von der Wange. »Doc Mannheimer kann einem echt leidtun, falls er wirklich was mit ihr hatte. Und dann noch die Geschichte mit seiner Frau …«
Sofort wurde Walburga hellhörig. »Er hat eine – eine Frau?«
»Hatte.« Niki wurde ernst. Dann erzählte sie, was sie von Frau Doktor König erfahren hatte.
Kopfschüttelnd hörte Walburga zu. »Ich hatte ja keine Ahnung …«, murmelte sie, als Niki fertig war.
»Jetzt sag mal ehrlich, du magst ihn, oder?«
»Quatsch.« Walburga schwitzte. Sie krempelte die Ärmel ihrer Joggingjacke hoch. »Der ist die Vorstufe zur Hölle.«
Niki musste lächeln. »Soll ich dir was prophezeien?«
»Pass auf, was du sagst«, knurrte Walburga.
Niki stand auf. »Du wirst den Typen so was von heiraten, dass es nicht mehr feierlich ist!«
Dann lief sie lachend davon.
Niki stand vor dem Badezimmerspiegel und schraubte ihren nagelneuen Lippenstift auf, ein Präsent von Alexis. Sie hatte schon vor Jahren aufgegeben, sich zu schminken. Nun betrachtete sie fasziniert, was ein korallenroter Lippenstift mit ihrem Gesicht anstellte.
»Bist du endlich fertig mit Malen nach Zahlen?«, tönte es von nebenan. »Wenn du noch länger vor dem Spiegel rumhängst, verpassen wir Tamaras Roadshow.«
»Komme schon«, trällerte Niki. Sie bürstete sich ihre braunen Locken aus dem Gesicht, dann war sie so weit.
»Wow, Prinzessin«, sagte Walburga anerkennend, als Niki ins Zimmer trat. »Aschenputtel war gestern. Los, wir gehen runter in die Bibliothek.«
Die Bibliothek war ungewöhnlich voll. Es war halb neun Uhr abends, alle Kerzenleuchter waren angezündet worden, und die Holzvertäfelung schimmerte golden im Kerzenschein. Ein Mix erlesener Parfums erfüllte die Luft. Auf den Sesseln verteilt saßen etwa dreißig Frauen, die sich für den Kaminabend hochgestylt hatten wie für einen Debütantinnenball. Seidenroben knisterten, funkelndes Geschmeide schmückte Armgelenke und Dekolletés.
Ein einziger Mann hatte sich unter die Damenschar gewagt:Leo. Er trug ein weißes Dinnerjackett, eine schwarze Hose und eine schwarze Fliege. Komischerweise verlieh ihm das eine gewisse Würde. Als sei es ein exotischer Cocktail, nippte er an einer Tasse Kräutertee.
»Ich liebe diesen Kaffeefahrten-Groove«, schwärmte Walburga, die sich neben Niki und Alexis setzte. »Tamara ist ein echtes Talent. Die könnte Eiswürfel am Nordpol verkaufen.«
Niki hatte ihre lachsrosa Errungenschaft angezogen und das erhebende Gefühl, nicht länger ein Zaungast zu sein. Die schlichte Eleganz und die dezente Farbe des Kleides harmonierten wirklich perfekt mit ihrem Teint.
Gespannt sah sie zu Tamara. Die war gerade damit beschäftigt, bunte Tücher zu ordnen. Sie hatte sich in ein bodenlanges kupferrotes Abendkleid gewandet, über dem sie eine Stola aus dem gleichen Stoff trug. Ihre Lippen leuchteten rubinrot, auf die Lider hatte sie kupferroten Lidschatten aufgetragen. Ihre Hände waren üppig beringt, und an ihrem Hals hingen geschätzte zwei Pfund Brillantschmuck.
»Ein wandelnder Secondhandshop«, grinste Walburga. »Mal sehen, was sie heute Abend loswird.«
»Meine Damen!« Tamara klatschte in die Hände. »Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten?«
Sofort erstarb das allgemeine Gemurmel. Tamara griff zu einem cremefarbenen Tuch und legte es sich über die Schulter. »Na, wie sehe ich jetzt aus?«
»Furchtbar!«, rief Alexis. »Müde und alt!«
Ein Raunen ging
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