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Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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üblich voller Cracker. »Nein, ich bin bloß ich. Und sie hält das aus. Das ist gut. Das ist ganz wunderbar. Würde sonst niemand.« Ein fingerspitzengroßer Fleck Dunkelblau unter jedem Auge.
    Er hat sich die ganze Woche herzzerreißend bemüht, fröhlich zu sein, ein jolly good fellow.
    »Nein, Sie werden immer ein Gentleman sein, Francis. So sind Sie gebaut.«
    Ich mache eigentlich keine Komplimente. Aber das ist kein Kompliment, oder? Er ist wirklich ein feiner Mann.
    »Sie sind sehr freundlich. Vielen Dank. Sollten wir uns in Zukunft wieder begegnen – nicht auf See, ich meine nicht bloß morgen – dann wäre es mir ein Vergnügen, Sie nicht zu enttäuschen.« Er schaut seine Teller mit Wassermelonen an – ein gepflegter Herr in Sakko und Anzughose, noch gut beieinander für sein Alter, braucht die Brille eigentlich nur zum Lesen – aber es ist auch nicht seine Gesundheit, die ihm Angst macht – ein Tablett voller Geschenke für Bunny, Leckereien, vielfacher Ausdruck seiner Zuneigung.
    Was wird er tun, wenn sie sinnlos sind?
    Manche Menschen haben Probleme, die sie nicht verursacht haben.
    »Sie sind sehr gut zueinander.«
    »Wie?« Francis ist einen Augenblick beinahe erschreckt – er möchte noch keine Grabreden hören, und sie hätte auch wirklich nicht so anfangen sollen – aber dann verdreht er einfach nur die Augen. »Wir hatten schon unsere Momente. In beide Richtungen.« Dann hört er auf, will nicht hören, wie er seine Ehe beinahe wegredet, aus dem Dasein befördert. »Und ich bin sicher, wir werden sie auch weiter haben … Herrgott, es kann einem schon verdammt elend werden.« Wieder unterbricht er sich, wählt eine harmlose Bedeutung. »Dieses Stück am Ende der Reise, das ist so trostlos. Obwohl man ja niemanden, den man hier kennengelernt hat, wirklich vermissen wird, man fährt einfach wieder nach Hause mit demjenigen, mit dem man hergekommen ist – ich meine, es ist eigentlich kein emotionaler Augenblick oder so etwas. Sollte es jedenfalls nicht.« Er legt ihr die Hand auf die Schulter. »Aber Sie – Sie müssen uns besuchen kommen. Und ich würde empfehlen, das tun Sie gleich nach der Landung. Es sei denn, Sie sind beschäftigt, vielleicht …« Er stockt, als das, was Enthusiasmus ausdrücken sollte, eher so klingt, als sei die Sache dringend und Beth müsse sich beeilen.
    »Ich werde Sie besuchen kommen. Sie beide.«
    Denn jedes Wort kann Zauberkraft entfalten, und dann muss Bunny noch da sein, immer noch wohlauf.
    Francis sammelt sich wieder, bringt ein ernsthaftes Nicken zustande. »Hervorragend. Und das ist vertraglich bindend, müssen Sie wissen – ein Versprechen auf See, das hat bestimmt juristische Wirkung. Nicht der übliche Ferienschwindel. Warten Sie, ich gebe Ihnen unsere Adresse.« Und er spult routiniert die Prozedur ab, seine Karte zu finden und ihr zu überreichen. Beth vermutet, es gab mal eine Zeit, als Visitenkarten eine große Sache waren – es macht ihm immer noch Freude. »Hier. Verlieren Sie sie nicht. Und dann können Sie kommen und bleiben – wir wohnen jetzt weit draußen auf dem Land, zu weit weg, um einfach hinzufahren und nicht zu bleiben – und wenn Sie eine Nacht bleiben, können Sie genauso gut länger … Sehen Sie?« Er zwinkert ihr zu. »Sie waren ja gewarnt, dass Sie entführt werden würden …«
    Danach ist ihnen beiden bewusst, dass sie scherzen und Unsinn reden müssen und so tun, als würde niemand sterben oder müsste überhaupt je: Sie werden sich benehmen wie Menschen und ihr Möglichstes tun, das langfristig Kommende zu ignorieren.
    Und dafür könnte ich stolz auf uns sein. Ich bin auf jeden Fall stolz auf Francis.
    Also improvisieren sie, und sie macht sich auf Futtersuche , wie Francis sich ausdrückt, der sie begleitet, ermutigt, berät, mit ihr flirtet, auf eine Art, die von gegenseitigem Respekt spricht.
    »Das ist ganz wundervoll, Beth. Dass Sie hier sind. Und Sie haben die Sonne hervorgelockt.« Er lenkt sie zu einem Fenster, um es ihr zu beweisen. »Noch wundervoller. Herrlich.«
    Draußen auf Deck kämpft sich ein Jogger mit Strickmütze vorbei, und sie beobachten ihn, überblicken das Restaurant und die leicht pornographischen Butterskulpturen, die geschnitzten Fruchtstücke und die Wärmelampen. Der Raum scheint einen Moment innezuhalten, ehe er mit der nächsten Welle hinabsinkt, rollt und seufzt, und währenddessen schaut Beth Francis an und sagt ihm: »Ich werde mich nicht verabschieden. Ich würde, wenn ich wollte, es

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