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Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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fragen uns auch, warum zum Teufel wir so verletzt, so gezeichnet, so beschädigt sein konnten, so dass jeder Mensch, der davon wusste, nicht umhin kam zu fragen, wie wir uns bewegen, wie wir noch stehen können – nur weiß es niemand so ganz, sie müssten schon Hellseher sein, um es zu wissen, sie müssten seltsame Gaben besitzen und in der Lage sein, in unsere tiefen, süßen, blutenden Geheimnisse zu schauen – weiter zu gehen als die Liebe.
    Es sind aber gar keine Gaben nötig – wo es tief und süß und blutend wird, da sind wir alle gleich. Im tiefsten Herzen sind wir alle beisammen – Freude, Schmerz, Angst – wenn wir nur aufmerksam wären, würden wir es schlagen fühlen .
    Beth bleibt an Deck, bis ihr Kopf schmerzt, und auch ihre Wangen, bis sie abgestorben ist und hilflos zittert.
    Und wenn ein Auftritt vorbei war, ging ich wieder nach Hause und war ohne ihn, aber neben dem Arthur, den ich mir aus seiner Abwesenheit gebaut hatte, neben dessen Gewicht lag ich. Ich machte ihn unverrückbar von zu vielen Gedanken – das wollte ich gar nicht – ich hatte bloß Angst – und ich übte – und hatte Angst – und ich dachte, die Geschichte von ihm wäre leichter zu kontrollieren als seine Haut, sein Mund, seine Finger – ich wollte nicht verderben, was wir zu sein schienen.
    Seinen Namen denken, wenn du kommst – das solltest du nicht. Dann willst du es immer wahr werden lassen, deinen Geliebten herbeirufen, damit er es hören kann – deinen Zauber.
    Sich zur nächsten Tür vorzuarbeiten scheint absurd lange zu dauern und weit entfernt. Sie beobachtet sich selbst, wie sie sich wieder hineinkämpft, an der Tür reißt und zerrt, bis sie endlich eingelassen wird, sich in betäubender, brodelnder Stille verliert.

FRANCIS SIEHT SIE im Café, bevor sie ihm ausweichen kann, bevor ihre Hände bereit sind, ein fades Heißgetränk aus einem der vielen Automaten für fade Heißgetränke zu holen.
    »Na.« Er steht auf und marschiert forsch auf sie zu, Bunny winkt und bleibt, wo sie ist. »Um Himmels willen – Sie waren doch nicht draußen?«
    »Doch.« Beths Mund ist vor Kälte fast bewegungsunfähig.
    »Verrückt.« Aber er grinst. »War es sehr aufregend?«
    Sie nickt, weil er möchte, dass sie nickt, und weil es stimmt.
    Er nimmt ihren Arm und dreht sie herum: »Sie werden sich zu Bunny setzen und ihr alles erzählen – übertreiben Sie ruhig, so viel Sie wollen – und ich werde Ihnen eine heiße Schokolade besorgen, denn das ist das einzige, was hilft. Sie wird ohnehin schon extrem süß sein, aber hätten Sie gern noch extra Zucker hinein?«
    Sie schüttelt den Kopf und lässt sich von ihm bevatern und bemuttern – es kann nicht schaden, einander zu adoptieren, und diesmal wird er sie auch nicht zum Weinen bringen, ihr ist viel zu kalt zum Weinen, und ihr Denken zu plötzlich zu klar.
    »Bunny, hier ist Beth wieder – offensichtlich. Das hätte schon ein sehr seltsamer Anfall gewesen sein müssen, damit du dich nicht erinnerst.«
    Bunny, vielleicht müde, schüttelt aber nur in dezidiert zufriedener Weise den Kopf. »Ignorieren Sie ihn einfach. Tu ich auch immer.«
    »Ich werde ihr eine heiße Schokolade besorgen, und außerdem Kuchen. Sie isst nicht genug. Schau sie dir an.« Und überlässt Beth ihrem Platz, zeigt kurz und zärtlich tiefen Ernst, als er sie anschaut. »Gibt es irgendeine Art Kuchen, die Sie nicht mögen?«
    »Ähm … Nein. Ich …«
    »Ich glaube, sie ist unterkühlt, sollten wir jemandem Bescheid sagen?« Er streicht mit dem Finger am Hals seiner Frau entlang, ganz auf sie gerichtet, hungrigzärtlich.
    Bunny neigt sich seiner Berührung entgegen. »Geh weg.«
    Was Francis mit einer Art Verbeugung tut.
    »Er ist ein Idiot.« Während Bunny den Rücken ihres Mannes betrachtet, seine sich entfernende, leicht verlegene Kontur, seine Zähigkeit. »Und jetzt erzählen Sie mir von den Wogen und Stürmen – ich kann selbst nicht hinausgehen, er lässt mich nicht. Und dann trinken wir einen schönen Nachmittagstee zusammen, wenn Sie mögen – es ist doch Nachmittag, oder? Jeden Tag stelle ich meinen Wecker und meine Armbanduhr um – außer heute, weil ich heute nicht sollte … glaube ich. Im Schiffsmagazin stand, ich sollte, aber da hat man sich anscheinend geirrt. Oder ich mich. Und wir tun nichts als essen und sitzen und ein wenig herumschlendern und wieder essen und uns schick machen und essen … sehr desorientierend. Ich habe den Verdacht, heute könnte Mittwoch sein, stimmt

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