Das blaue Feuer - Roman
und traten die Tür ein. Leise Schreie ertönten.
»Tu, was sie sagen. Sie halten uns für Soldaten«, flüsterte Jeatar, ehe wir ihnen nach drinnen folgten.
Wir gingen die Treppe hinauf, unsere Schritte leicht, ihre schwer und drohend, als wollten sie so angsteinflößend wie möglich klingen. Türen schlugen. Menschen schrien. Dumpfes Knallen hallte von den Wänden wider.
Die Unsterblichen blieben vor einer Tür im zweiten Geschoss stehen. Zwei hielten sich zurück, während der dritte die Tür eintrat. Dann stürzten er und die anderen beiden ins Zimmer.
»Lasst ja keinen vorbei«, sagte der dritte Unsterbliche, ehe er losrannte.
Jeatar blockierte die Tür und winkte uns, das auch zu tun. »Wir müssen«, sagte er leise.
Von drinnen ertönten Schreie. Lautes Krachen, Glas brach.
»Lasst ihn in Ruhe!«, schrie eine Frau. »Er hat nichts getan.«
»Mondri Belaandrian, auf Befehl von Herzog Verraad nehme ich dich hiermit fest unter der Anklage der Anstiftung zum Verrat.«
Jeatar spannte jeden Muskel und ballte die Hände. Er warf mir einen besorgten Blick zu, der Bände sprach.
O Heilige! Er kannte ihn. Vielleicht war er sogar Teil des Untergrunds.
»Seine Meinung zu äußern, ist kein Verrat«, sagte dieselbe Frau. »Nimm deine Hände weg - ah!« Ein noch lauteres Krachen, als ob ein Körper gegen ein Möbelstück geschleudert würde. Ein Mann schrie auf und begann zu fluchen, dann ...
»Fenda, nein!«
Metall klirrte gegen Metall, ein Mädchen schrie vor Schmerzen.
»Sie ist nur ein Kind!« schluchzte der Mann. »Wie konntet ihr?«
Jeatar schloss die Augen und wandte den Kopf beiseite. Danello wurde blass.
»Das ist nicht gerecht«, flüsterte ich. Wir mussten dem Einhalt gebieten. Jeatar riss die Augen auf. Er war völlig entsetzt.
»Tut ja nichts anderes, als sie sagen!«
»Aber ...«
»Tut nichts!«
Eine Frau schluchzte, ein Mann brüllte vor Wut. Von dem Kind hörte ich nichts. Zwei Unsterbliche schleppten einen Mann heraus, seine Hosen und sein Hemd waren voll Blut. Der dritte hatte eine Frau am Arm gepackt.
»Bitte, lasst sie nicht einfach hier liegen«, flehte sie mit Tränen auf den Wangen. »Ich muss sie zur Heilergilde bringen.«
Einer der Unsterblichen meinte verächtlich: »Du kannst dir die Gilde nicht leisten.«
Jeatar fing den Blick des gefangenen Mannes auf und hielt ihn. So viel Schmerz hatte ich noch nie in seinen Augen gesehen und schon gar nicht getragen. Der Mann blickte ins Zimmer zurück. Jeatar nickte ein Mal so unmerklich, dass ich es nicht gesehen hätte, hätte ich ihn nicht so angestarrt.
Der Unsterbliche schob die Frau Jeatar zu. »Befass du dich mit ihr.«
»Jawohl.« Jeatar packte sie mit ausdruckslosen Gesicht am Arm.
Sie schaute ihn nicht an, sondern wehrte sich weinend und rief nach Mondri und ihrem Kind. Der Unsterbliche zerrte ihn die Treppe hinunter und aus der Tür.
»Thessa, ich bin's«, sagte Jeatar und lockerte den Griff, ließ sie aber nicht frei. Ich rannte an ihm vorbei ins Zimmer, Danello folgte mir auf den Fersen.
Das Mädchen lag in einer viel zu großen Blutlache. Sie war dreizehn, vielleicht vierzehn. Neben ihr auf dem Boden lag ein altes Schwert. Die Klinge war sauber. Die Kleine hatte sie nie benutzt.
Ich presste meine Hand gegen ihr Herz und ihren Kopf und fühlte mich in sie hinein. Nichts, außer Stille und Tod.
»Ist sie ...«, flüsterte Danello.
»Sie ist von uns gegangen.« Heiler wussten am besten, wie man tötete.
Wie konnten sie so etwas tun? Ein Mädchen töten, nur weil es den Vater verteidigt hatte? Es war nie eine Bedrohung für sie.
Männer in Blau schleppten Großmama fort. Ich lief vorwärts.
»Nein, Nya, bleib zurück!«, rief sie.
Soldaten kamen mit Händen an den Schwertern zu mir. Ich nahm ein Buch von Großmamas Schreibtisch und warf es auf einen.
»Lasst sie laufen!«
Er zückte das Schwert und näherte sich mir. Ich hob die Fäuste.
»He!«, rief der andere Soldat. »Sie ist ein Kind. Lass sie in Ruhe.«
Warum hatte ich nicht die gleichen Worte zu den Unsterblichen gesagt?
»Das ist falsch«, flüsterte ich.
»Ja, allerdings.« Danello stand mit geballten Fäusten an den Seiten da, als wollte er etwas schlagen.
Jeatar brachte Thessa ins Zimmer. Sie brach neben ihrer Tochter zusammen, nahm sie in die Arme und verbarg das Gesicht in ihrem Haar. Dunkel, glänzend schwarz. Wunderschönes Haar.
Ich ging fort, zum Fenster. »Ich hätte etwas sagen müssen.«
»Du konntest nichts tun«, sagte Jeatar leise.
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