Das blaue Feuer - Roman
Er legte mir die Hand auf die Schulter. Ich schüttelte sie ab.
»Ich hätte es versuchen müssen. Ich hätte sie laut auffordern müssen, ihre Rüstung blitzen - irgendwas.«
»Du hast doch nicht einmal gewusst, ob sie Schmerzen angesammelt hatten.«
»Lasst sie in Ruhe! Sie ist doch noch ein Kind.«
»Ich hätte es versuchen müssen.«
Er seufzte. »Wenn du das getan hättest, wären wir jetzt alle tot. Thessa, Danello, wir alle. Nur du nicht.« Er trat näher zu mir und stellte sich zwischen mich und das Fenster. »Du wärst auf dem Weg zum Herzog. Auf dem Weg, etwas noch Schlimmeres zu werden als sie.«
»Ich bin schlimmer als sie. Ich habe nichts getan, um sie aufzuhalten.«
»Aber das wirst du. Wir alle werden das tun. Bald.«
Ich betrachtete das Mädchen. »Nicht früh genug.«
Danello tröstete die Mutter, während sich Jeatar um die Tochter kümmerte. Er holte die Leichenfrau und half ihr, das Mädchen zum Friedhof außerhalb der Stadt zu tragen. Dann sagte er Thessa, wann sie in Tücher gewickelt und beerdigt würde. Ich folgte den dreien zur Villa.
Wütende Stimmen begrüßten uns. Barnikoff, Siekte, andere vom Untergrund und aus Geveg schrien sich an. Wir betraten den Hauptraum, und das Geschrei brach ab.
»Mondri ist festgenommen worden«, berichtete Jeatar mit kalter Stimme. »Fenda ist tot.«
Siekte stockte der Atem, schnell bedeckte sie mit beiden Händen den Mund. Dann rannte sie zu Thessa und schlang die Arme um sie. Frische Tränen strömten aus den Augen beider Frauen. Siekte führte sie durch die Tür, durch die ich noch nie gegangen war. Die Tür, die zu den Zimmern führte, welche sich die vom Untergrund teilten.
Niemand sprach. Wir standen nur nutzlos herum.
»Was hat sich hier ereignet?«, fragte Jeatar.
Barnikoff trat vor. »Es kann warten. Jetzt ist nicht -«
»Sag es einfach!«
Er räusperte sich. »Es tut mir leid wegen der Familie.«
»Deshalb hast du nicht mit Siekte gestritten.«
»Nein. Ich weiß, dass das ein grauenvoller Zeitpunkt ist, um das zu sagen. Aber vier Tage sind vergangen, und wir wollen nach Hause gehen. Es tut mir ehrlich leid, aber wir müssen uns um unsere eigenen Familien kümmern. Geschäfte, Lebensunterhalt. Wenn wir aus eigener Kraft weggehen könnten, würden wir das tun, aber du hast versprochen, uns zurück nach Geveg zu bringen.«
Jeatar schloss die Augen, legte den Kopf auf die Seite, als müsse er den Schrei zurückhalten, den er am liebsten ausgestoßen hätte. Das war mir klar. Ich fühlte ebenso.
»Nicht jetzt, Barnikoff«, sagte ich. War es ihnen gleichgültig? Ein unschuldiges Mädchen war gerade gestorben, weil seine Eltern ein besseres Leben für es gewollt hatten. Das gleiche Leben, das wir für unsere Familien wollten. Eines ohne den Herzog. Wir von allen Menschen sollten das verstehen.
»Du hast recht«, sagte Barnikoff. »Es ist wirklich nicht ...«
Jeatar packte einen Stuhl und schleuderte ihn durch den Raum. Er prallte gegen die Wand und zersplitterte auf dem Boden. »Nein, ihr geht jetzt!«
Danello machte zögernd einen Schritt auf Jeatar zu und streckte die Hand aus. »Das hat noch Zeit. Ich bin sicher.«
»Ich will, dass diese Leute aus meinem Haus verschwinden«, brüllte ihn Jeatar an.
Barnikoff wich zurück und blickte beschämt zu Boden. Die anderen schauten gar nicht auf.
»Wartet oben in der Küche«, sagte Jeatar. »Packt für drei Tage Essen ein, aber nicht mehr. Ich komme, sobald ich mich umgezogen und mir Fendas Blut von den Händen gewaschen habe.«
Barnikoff scheuchte alle hinaus und warf mir einen traurigen Blick zu.
»Sie sind nur Baseeri«, sagte er beim Vorbeigehen. »Wen kümmert es, wenn sie sterben?«
Ich schaute weg. Es klang so entsetzlich, aber ich hatte früher Ähnliches gesagt. Es sollte mir egal sein - sie waren nur Baseeri -, aber diese Worte hörten sich jetzt schal an. Baseeri versuchten, dem Herzog Einhalt zu gebieten, genau wie wir. Er behandelte sie nicht besser als die Menschen in Geveg. Nicht alle Baseeri waren schlecht. Und kein Kind verdiente es zu sterben, weil es den Vater verteidigen wollte, ganz gleich, zu welchem Volk es gehörte.
»Ich bin zurück, sobald ich sie in ein Boot gesetzt habe«, sagte Jeatar zu mir. »Tu nichts Impulsives, während ich weg bin.«
Ich nickte, immer noch ganz benommen.
Jeatar ging nach oben. Danello kam zu mir und legte seinen Arm um meine Schultern. Obwohl es tröstlich war, beseitigte es nicht meinen Wunsch, ebenfalls mit Stühlen zu
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