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Das blaue Haus (German Edition)

Das blaue Haus (German Edition)

Titel: Das blaue Haus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schreiner
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hatte. Julie war sein ganzer Stolz – so, wie Sarah Danes Heilige war.
Diese Waffe brachte jetzt alles zu Fall – alle Hoffnung, allen Glauben.
Dane schluckte und spürte keine Angst. Er wusste nicht einmal, ob ihm heiß oder kalt war. Dass ein Schuss alles zerstören würde, reichte sicherlich nicht aus, um den Alten zur Vernunft zu bringen. Dane wollte etwas Eindringliches sagen, doch es blieb ein nichtssagendes Flüstern: „Du holst mich zu dir, bringst mich in deine Lehre und nimmst mir meine Gewalt. Ich habe deine Lehre begriffen. Ich trat in guter Absicht an dich heran, aber was tust du? Du löst nun die Probleme, wie ich es früher getan habe. Wie soll ich das verstehen?“
Der Schuss peitschte laut durch das Steinhaus und riss Dane augenblicklich zu Boden, wo er regungslos liegen blieb.
Raimund Geers hielt die Waffe nach dem Schuss in seinen Händen, zielte erneut, wagte jedoch nicht, ein zweites Mal abzudrücken.
Es war der gleiche Knall wie vor acht Jahren, als er den Einbrecher zu verscheuchen versucht hatte. Nur, dass er diesmal keinen Einbrecher vor sich hatte und auch nicht auf die Decke gezielt hatte.
Dane hatte irgendetwas von Problemen erzählt, aber es war so leise gewesen, dass Ragee es nicht verstanden hatte. Was er wohl verstanden hatte, war, dass Dane es gewagt hatte, ihm Julie wegzunehmen – so mies, so beschämend, so verletzend, dass ihn rein gar nichts mehr bewogen hatte, diesen Dane noch länger zu ertragen.
Ragee sah das Blut unter Danes Schädel zusammenfließen. Es war nicht viel, gerade soviel, dass es sichtbar wurde. Sein fast nackter Körper lag gekrümmt neben dem rechten Bein des Esstisches. Das Buch lag immer noch geöffnet darauf, die Anzeigen verstreut daneben.
Siebenundachtzig Jahre sind ein gutes Alter, dachte Ragee in diesem Augenblick. Er empfand kein Mitleid für seine Tat. Er dachte an den Tag, als er Dane schon einmal hatte erschießen wollen – wegen dieser dummen Todesanzeige von Sarah.
Er betrachtete Danes leblosen Körper. Hob und senkte sich noch die Brust? Der Schuss hatte erstaunlich gut getroffen.
Der Alte schlich langsam wieder die Treppe hinunter. Mit jeder Stufe verschwand seine Blindheit mehr. Die Waffe hing schlaff in seiner rechten Hand.
Ein roter Kreis umschloss Danes Schädel.
Ragee vermisste das Triumphgefühl oder zumindest eine Erleichterung, aber nichts geschah. Dann durchfuhr ihn ein erbarmungsloser Gedanke: Er hatte einen Menschen getötet! Zurecht, dachte er. Aber einen Menschen, mit dem er gelebt und geredet hatte! Einen Mörder, der getötet werden musste – früher oder später, dachte er. Aber ein von mir mit Hoffnung betrauter Mensch!
Dieses Gewissensspiel trieb ihn in ein Karussell der Widersprüche. Er versuchte Julie mit einzubringen, um sich besser zu fühlen, aber auch sie konnte seine Tat nicht rechtfertigen. Es war offensichtlich, dass Dane tot war.
Raimund Geers erlitt einem Schock. Er verlor jede Rechtfertigung für seine Tat. Was unterschied die Beiden nun wirklich? Sie beide töteten für einen Menschen, der ihnen das Liebste auf der Welt war – hitzköpfig und kompromisslos. Er hatte sich mit Dane Gelton einfach überfordert.
Raimund Geers setzte sich auf einen Stuhl, sackte erschöpft zusammen und schlief vornüber am Tisch ein.
    Dane war nicht tot. Ein Streifschuss an seiner rechten Schläfe hatte ihn einfach nur bewusstlos gemacht.
Sein Atem ging flach. Das Blut war nicht lange aus der Wunde geflossen, und doch war es viel für die Verletzung gewesen. Unter starken Kopfschmerzen erlange er kurz einmal das Bewusstsein und fühlte seinen Körper oberflächlich und schwebend. Er konnte sich nicht bewegen, nicht einmal stöhnen, und doch war ihm bewusst, wo er war.
Den Knall des Schusses hatte er im gleichen Moment vernommen, als die Kugel seine Schläfe berührte. Die Sekunde war in Tausendstel zerronnen, ohne die geringste Chance, sich retten zu können. Doch das alles war so klein gegen die Einsamkeit, die er jetzt in sich verspürte. Ragee, seine letzte Hoffnung, der, dem er das größte Vertrauen seit Sarah entgegengebracht hatte, nein mehr –, dem er sich vollkommen geöffnet hatte, hatte soeben versucht, ihn umzubringen. Nun war auch dieser Mann zu seinem Feind geworden. Alles war so schnell gegangen. Es war noch nicht einmal acht Uhr. Eine Zeit, in der er eigentlich noch nicht unten war. Sie schenkte ihm wieder eine große Dunkelheit.
    *
    Während der ganzen Fahrt nach Salina wurde Julie von einer panischen Angst

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