Das blaue Haus (German Edition)
sich.“
Carola Synacha vermochte nicht zu beurteilen, wie intensiv Sarah zugehört hatte, aber sie gab ihr eine Umarmung mit auf den Weg und sagte: „Ich umarme Sie für Dane, denn er würde es jetzt ganz gewiss auch tun. Ich würde mich freuen, wenn Sie diese Woche noch einmal bei mir vorbeischauen würden. Ich mag Sie nämlich sehr, Sarah. Und es tut mir sehr weh, Sie so zu sehen. Es würde auch Ihrem Mann wehtun, also tun Sie etwas dagegen. Für Dane.“
Sarah schluckte, und es war ihr plötzlich, als würde sie ihn wirklich spüren.
Auf dem Heimweg sah sie die ersten Lichter wieder tanzen, doch alles erlosch gleich wieder, als sie das Haus ihrer Eltern betrat und Julies Schatten im Garten sah. Sie alle brauchten nicht lange, um ihre Liebe wieder in Hass zu kehren. Sie fand kein Entrinnen und besuchte ihre Gynäkologin nie wieder.
*
Julie badete sich in ihrem Einfallsreichtums und genoss die Unterstützung der Newshorns. Nur bei Sarahs Vater hatte sie gewisse Bedenken, denn er redete nicht mit ihr. Aber mit wem redete er schon? Julie bezweifelte überhaupt, dass Ben Newshorn eine eigene Meinung besaß. Sie kümmerte sich nicht weiter um ihn. Sie genoss die Aufmerksamkeit der Familienmitglieder, die am lautesten schreien konnten.
Julie argumentierte überzeugend und zettelte damit ständig neue Diskussionen an. Niemand zweifelte mehr an ihrer Einstellung noch an ihrem Einfluss auf Sarah, genau, wie niemand mehr Sarahs wirklichen Gefühle wahrnahm. Die spürte nur Dane, unzählige Meilen weit entfernt, doch davon wusste Sarah nichts. Sie hatte noch nicht einmal die Entwendung ihrer Kosmetika und Schmuckstücke bemerkt. Sie war zu taub, um überhaupt noch etwas zu bemerken. Sie dachte auch nicht mehr daran, wie sehr ihr Baby ihre Liebe vermisste.
Mai 1997. Grand Junction. Sinclairroad. Bei Julie.
Julie erholte sich erstaunlich gut von ihrer Fehlgeburt. Sie hatte auch nicht verpasst, Sarah auf die letzten Zeitungsartikel aufmerksam zu machen. Doch die berührten Sarah nicht mehr. Julie hatte hervorragende Resultate erzielt. Sie war sich jetzt ziemlich sicher, den Kampf schon bald zu gewinnen. Vielleicht sprang dabei sogar noch ein Sieg über das Baby heraus, denn Sarah war sehr schwach geworden.
Mit diesem Hochgefühl kam Julie wieder in Junction City an und betrat ihr Apartment wohlgelaunt. Sie suchte beschwingt die Dusche und anschließend ihr Bett auf.
Erst am nächsten Morgen nahm sie die Lücke der drei Bücher in ihrem Regal wahr, die Dane zwei Tage zuvor verursacht hatte.
Zunächst gab ihr der Anblick nur ein ungutes Gefühl, dann wurde ihr bewusst, dass Dane im Besitz eines ihrer wichtigsten Bücher überhaupt war. Es raubte ihr plötzlich die Fassung. Wie blind und befangen war sie von ihrer Rolle gewesen, als er nach dem Buch gegriffen hatte? War es Berechnung oder Zufall gewesen? Dass er viel las, wusste sie, aber hatte Ragee nicht genügend Bücher für ihn zur Verfügung? Was wollte er ausgerechnet mit ihren Büchern?
Sicher, vielleicht hatte er einen Grund gesucht, sie wieder zu besuchen, jetzt, nachdem er Sarah für tot halten musste. Dieser Gedanke gefiel ihr gut, ... so gut, dass sie ihn im nächsten Moment wieder anzweifelte und dann die Beherrschung verlor. Sie brauchte sich nicht Dinge einzureden, die einfach nicht wahr waren. Dane hatte das Buch bewusst genommen und es zwischen zwei anderen Büchern versteckt! Das war es gewesen. Er hatte sie durchschaut!
Sie griff hastig nach ihrer Handtasche, denn sie musste das Buch unbedingt wieder in ihren Besitz bringen, bevor es Unheil anrichten würde.
Julie hoffte, in ein ruhiges Treiben von Dane und Ragee zu platzen, doch was sie empfing, war ein Massaker.
Mai 1997. Salina. Markley Road. Bei Ragee.
Ewig, so glaubte Dane, musste es her sein, als er in die Mündung einer Waffe gesehen hatte, dabei waren es gerade einmal acht Monate. Seine Zeit mit Ragee war so abstandgewinnend gewesen, dass er sich an dieses Gefühl gar nicht mehr erinnern konnte. Jetzt empfand er nur noch eine tiefe Enttäuschung.
Ragee, der sich so vieler Mühen betrogen fühlte, bemerkte nicht, was er tat – gerade zu einem Zeitpunkt, in dem Vertrauen und Wahrheit zwischen ihnen so wichtig wie nie zuvor waren. Der alte Mann sah über all diese Dinge so taub hinweg, dass nur der Betrug seiner Liebe zu Julie übrig blieb. Und das konnte er unmöglich zulassen. Julie bedeutete ihm so unglaublich viel in seinem Leben. Sie war alles, was er außer seiner Frau je so intensiv geliebt
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