Das blaue Haus (German Edition)
hat wieder getrunken“, bemerkte Ragee kurz, als er eine leichte Fahne aus Danes Mund roch und war dankbar dafür. Die Entschuldigung schien dem Taxifahrer plausibel, und er bedankte sich für das gute Trinkgeld.
„Komm, hilf mir mal“, bat der alte Mann seine Tochter, und sie legten Dane auf das Sofa. Julie war aufgeregt, sie zitterte, aber sie fragte nichts. Sie war nur dankbar, dass beide wieder da waren, dass Alan wieder da war. Wie immer hatte Ragee wieder einmal recht gehabt, als er Alan zu suchen begonnen hatte. Sie legte wärmende Umschläge um Danes Arme und Beine und wickelte ihn in eine dicke Wolldecke ein. Ihrem alten Herrn bereitete sie einen heißen Kaffee und reichte ihm ebenfalls eine Decke. Er dankte ihr für alles und betrachtete Dane, der auf dem Sofa in einen tiefen Schlaf gefallen war. Was mochte er erlebt haben? Welche Gedanken mochte er gehabt haben? Sieben Stunden in der eisigen Kälte waren sicherlich nicht spurlos an ihm vorbeigegangen.
Julie ging in ihr Zimmer, sie war müde.
Als sie die Tür hinter sich schloss, erhob sich Raimund Geers schwerfällig aus seinem Schaukelstuhl. Sie musste nicht sehen, was er jetzt sehen wollte.
Der Alte schlug die Decke zurück und betrachtete eingehend Danes Körper. War er verletzt? Er sah verklebtes Blut in der Nase und zwischen den Fingern. Er dachte an die Blutlache im Schnee und nickte. Sonst war nichts zu erkennen, das er als Zeichen einer Auseinandersetzung mit anderen Menschen werten konnte. Wohl eine Prellung oberhalb des Schädels, aber sie konnte auch viele andere Ursachen haben. Sonst nichts.
In dieser Nacht schrie Dane zweimal, und zweimal standen Ragee und Julie an seinem Sofa. Dane sah sie nicht, denn er war von seinen eigenen Schreien nicht wach geworden. Sie hatten nach seinem zweiten Schrei eine Petroleumlampe entzündet, falls er irritiert zu sich kommen würde. Das kam er aber nicht, er schrie auch nicht mehr. Ragee hingegen verbrachte nur wenige Stunden in einem leichten Schlaf. Er war wieder voller Sorge.
Der Geruch von Petroleum und Kaffee holte Dane um acht Uhr am nächsten Morgen in ein vernebeltes Bewusstsein zurück. Er glaubte, zuerst in Ragees Haus in Junction City zu sein, doch die Möbel passten nicht. Es war nur der Geruch, der ihm das glaubhaft machen wollte. Wo war er? Verschwommen tanzten zwei Gestalten um ihn herum, die er weder erkennen noch verstehen konnte, doch er roch Petroleum und Kaffee und wusste damit, dass er nicht in Heaven und auch nicht tot war; er war wieder bei Ragee.
„Lass ihn“, flüsterte Raimund Geers zu Julie, „er wird gleich wieder einschlafen.“
„Was mag ihm heute Nacht passiert sein?“, flüsterte Julie und schaute besorgt in sein Gesicht.
„Ich weiß nicht.“ Ragee forderte sie mit einer Geste auf, leise zu sein.
Ihre Aggressionen vom Abend zuvor hatten sich mit Danes Auftauchen wieder gelegt. Beide waren wieder zufrieden – jeder auf seine Art. Sie schlichen durch das Haus wie zwei kleine Kinder, die auf Weihnachten warteten. Julie hatte bemerkt, dass Alan seinen Oberlippenbart inzwischen entfernt hatte. Ja, dachte sie, er musste gewusst haben, dass ich es so will. Und sie war voller Aufregung, als sie nach oben in ihr Zimmer ging.
Ragee war ganz anders nervös. Er hatte in der Nacht über das Vertrauen nachgedacht, das beide eigentlich verbinden sollte. Wie leicht war es doch, darüber zu reden. Die Zeit bringt das Vertrauen, dachte er, nicht das Reden. Es hilft nur, die Zeit zu überbrücken.
Dane erwachte erst richtig gegen ein Uhr am Mittag und erkannte Ragee klar und deutlich. Er fühlte sich schlecht.
„Wie komme ich hierher?“, fragte er und erinnerte sich plötzlich an den Moment, als er wütend das Haus verlassen hatte.
Ragee zog sich einen Stuhl an das Sofa. „Ich habe dich gefunden, auf dem Seitz Drive. Du hast im Schnee gelegen, du warst fast bewusstlos. Wo warst du denn gewesen?“
Dane sah den erwartungsvollen Blick des alten Mannes und wusste, dass er ihm unmöglich von gestern erzählen konnte.
„Du warst nur zwei Straßen von hier entfernt.“
„Dann war ich ja schon fast Zuhause“, flüsterte Dane.
Er spürte die weiche Decke auf seiner Haut.
Zuhause, dachte Ragee, er hat Zuhause gesagt. „Ja, du warst fast Zuhause.“
Ein starker Kopfschmerz meldete sich, und Dane ertastete seine Beule.
„Eine gute Prellung“, bemerkte Ragee. „Weißt du noch, wie sie zustande gekommen ist?“
Sicher, dachte Dane. „Ich bin gegen die Hauswand gestolpert und habe
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