Das blaue Haus (German Edition)
Nasenbluten bekommen. Ich wollte dich nicht erschrecken und bin dann erst einmal in die Stadt gegangen – wahrscheinlich zu lange. Ich bin fast erfroren.“
Ja, dachte Ragee, Alkohol gesoffen und dann einfach so umgekippt!
Julie hörte Stimmen von unten. Sie ließ ihr Buch auf das Bett fallen und eilte die Treppe hinunter.
Dane hörte die Schritte auf der Treppe und sah erschrocken auf. Julie! Der Kopfschmerz verstärkte sich. Er hatte sie ganz vergessen. Wegen ihr lag er ja hier, wegen ihr war überhaupt alles passiert.
Sie lächelte ihn an, rannte die Treppe hinunter und setzte sich zu ihm aufs Sofa. Das erzürnte ihn. Sie ertastete seine Beule und fühlte sein Haar.
Ragee wusste natürlich, dass hier etwas nicht stimmte. Wie konnte man sich an einer Hauswand oben am Kopf derart verletzen? Doch er dachte an Julie. Es war eine gute Lüge, eine sinnvolle für sie. Oder war diese Lüge etwa auch für ihn bestimmt?
„Alan! Wie fühlst du dich?“, fragte Julie besorgt. „Kannst du schon Kaffee vertragen?“
Dane entzog ihr seinen Kopf. Er wollte sich nicht von ihr anfassen lassen, es war genug, sie um sich zu haben. Er nickte dennoch und richtete sich mühsam auf. Kaffee würde ihm gut tun, auch wenn er von Julie war. Er sah, dass ihn nur seine Shorts kleideten. Wo waren die anderen Sachen? Ragee zeigte auf einen Stuhl vor der Heizung; dort hing seine Kleidung. Es waren Schmutzflecken auf ihr zu erkennen. Wie sollte er das erklären? Ein Sturz in den Schnee?
Dane erhob sich vorsichtig und ging unsicheren Schrittes an den Tisch, auf dem bereits ein heißer Kaffee für ihn stand. Julie eilte ihm entgegen. „Nicht, Alan! Bleib' doch liegen. Ich bringe dir den Kaffee.“
Dane winkte ab: „Nein ... nein. Es geht schon.“
„Aber du hast nichts an. Du wirst frieren.“
Wieder schüttelte Dane den Kopf. „Ich werde nicht frieren. Ich werde meinen Kaffee hier an diesem Tisch trinken“, und er zeigte auf den dampfenden Kaffee.
Ragee lächelte. Er setzte sich ebenfalls an den Tisch.
Dane hasste es, wenn er beide gleichzeitig um sich hatte. Er fühlte sich von ihnen derart bevormundet, dass er verabscheut an ihnen vorbeisah. Er fror zudem und dachte widerwillig an die drei fremden Männer von gestern. Ihm wurde schlecht bei dem Gedanken. Er schwieg und trank seinen Kaffee.
Julies Wangen glühten. Sie setzte sich zwischen die Beiden und fühlte sich prächtig.
„Gibt's was zu sagen?“, fragte Ragee, um Danes Schweigen vielleicht zu brechen.
Dane schüttelte den Kopf und trank den heißen Kaffee – wenigstens etwas, das ihn jetzt wärmte.
„Ein Croissant?“, fragte Julie und hielt ihm ein Körbchen voller Croissants entgegen. Er schüttelte wieder den Kopf und versuchte, nichtssagend an ihr vorbeizusehen. Es gelang ihm nicht, denn sein Blick verfing sich in ihren neuen Ohrringen.
Drei kleine Sternchen baumelten an jeder Seite – und ihr Haar war kürzer. Sie hatte ihr Haar geschnitten! Sie begann, Sarah zu ähneln! Wie war das möglich? Hatte Ragee ihr von Sarah erzählt und sie versuchte, sie nun zu kopieren? Wollte Ragee etwa beide verkuppeln – so ganz unbemerkt, wie Psychiater es zu tun pflegen?
Er hielt sich irritiert an seiner Tasse fest und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Seine Hand griff schließlich nach einem Croissant, in das er appetitlos hineinbiss. Er stellte fest, dass sein schwer erarbeitetes Vertrauen wieder verschwunden war.
Es entstand eine beklemmende Atmosphäre: Julie sah Dane an; sie hätte sich so gerne mit ihm unterhalten, doch Ragee sollte es nicht hören. Dane sah Ragee an; er hätte sich so gerne mit ihm unterhalten, doch das sollte Julie nicht hören. Ragee sah ebenfalls zu Dane; er hätte sich auch so gerne mit ihm unterhalten, doch auch das sollte Julie nicht hören. Dann sah Dane Julie an; er musste sich auch unbedingt mit Julie unterhalten, wirklich ernsthaft, doch das sollte Ragee nicht hören. Alles blieb ein stummes Denkpalaver.
Schließlich flogen alle drei wie Sprengstoff auseinander.
Dane ging duschen, Ragee erledigte den Abwasch, dass ihm mit der Armschiene nur mühsam gelang, und Julie brachte die Decke hoch und machte die Betten. Keiner wusste mehr, was er so richtig machen sollte, weil jeden die Anwesenheit eines anderen störte. Es entstand ein gezwungenes Schweigen, Essen und Nichtstun. So konnte es unmöglich sieben Tage lang weitergehen, dachte Ragee. Er wollte wissen, was in der letzten Nacht mit Dane passiert war. Julie wollte unbedingt wissen, wie sehr Dane
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