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Das blaue Siegel

Das blaue Siegel

Titel: Das blaue Siegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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dreißig Meter lange Investigator langsam und vorsichtig ostwärts.
     

32.
     
    Seine Blicke glitten über ihren Körper, als sei sie eine Landschaft, die er durchwandern wollte. Petrus von Ravenna – oder war es Giordano Bruno gewesen? – hatte in seinen Gedächtnislehrbüchern die Verwendung libidinöser Bilder als Erinnerungsstütze empfohlen, und Gowers nahm sich vor, es gelegentlich zu versuchen: die Muskelstränge ihres kräftigen Rückens, die nussbraunen Hinterbacken, ihre großen, aber leichten Brüste und die sorgfältig epilierte Scham würde er zu Gedächtnisorten machen, an denen er seine Ermittlungen ordnen konnte.
    Im Augenblick aber suchte er nach Anzeichen von Syphilis und anderen Geschlechtskrankheiten. Eine alte Bordellgewohnheit, die natürlich auch die Vorfreude auf den Akt steigerte. Es erregte ihn grausam, dass die Frau, die da ausgebreitet vor ihm lag, ihn erst vor wenigen Stunden hatte töten wollen. Sie wehrte sich nicht, spannte aber jeden Muskel an, den Gowers bei seiner schamlosen Untersuchung berührte. Nur als er ihr den Schleier abnehmen wollte, hielt sie seine Hände fest. Tatsächlich hatte er mit sehr viel mehr Widerstand gerechnet, zumal sie, zu seiner nachhaltigen Überraschung, mit ihren fünfundzwanzig oder sechsundzwanzig Jahren noch Jungfrau war.
    Anfangs hatte er wirklich nur ihren Hass gespürt, als er ihre Knie bis zur Brust hochdrückte, um leichter in sie eindringen zu können, ihrem Körper aber irgendwann doch eindeutige Reaktionen entlockt. Ihr Keuchen versetzte den Schleier vor Mund und Nase in heftige Bewegung, und das steigerte noch seine Lust. Schließlich waren sie nur noch zwei schöne, starke Tiere, die sich paarten. Und es war Gowers, der Europäer, Amerikaner, der hinterher stärker darunter litt, dass er sie – wenn auch nur mittelbar – vergewaltigt hatte. Jedenfalls streichelte er ihren schweißnassen, erhitzten Körper, als sie nackt nebeneinanderlagen, als wollte er nachträglich etwas beschönigen.
    Der Nasrany hatte Ishrats Körper, all ihre Erwartungen befriedigt, aber nicht übertroffen. Gewiss, er war groß, aber nichts an seinem Geschlecht erinnerte an ein Pferd; es sei denn, man verglich ihn mit den verstümmelten Unzulänglichkeiten der Palasteunuchen oder der wandernden Hijras , die die Frauen der Zenana hin und wieder nackt vor sich paradieren ließen, um sich die Zeit zu vertreiben. Als es geschehen war, streichelte er sie, und die Zärtlichkeit seiner Hände irritierte sie stärker als die Gewalt, die er ihr angetan hatte. Sie musterte ihn sehr genau, als er aufstand, um sich mithilfe der Schüssel zu waschen, die auf dem Tisch mit dem großen Spiegel stand. Seine rechte Hinterbacke war durch eine große weiße Narbe verunstaltet, aber sonst gefiel ihr, was sie vor und in dem Spiegel sah.
    Nackt kam er zum Bett zurück und nahm etwas aus seinem Reisebeutel, der daneben, schon fast darunter lag. Und noch ehe sie erkennen konnte, dass es ein dünnes Seil war, hatte er ihre rechte Hand an das angenehm kühle Messingbett gestell gefesselt. Sie wehrte sich wie eine Katze, verteidigte ihre Freiheit stumm, aber wilder als zuvor ihre Unversehrtheit. Dennoch schaffte er es, auch ihre linke Hand an die andere Seite des Bettgestells zu binden. Als sie noch immer nicht aufhörte, zu zerren, zu zappeln, ihren nackten Körper hin und her zu werfen, musste er über diesen Anblick lachen, und das ließ sie endlich erstarren. Zitternd vor Wut ließ sie zu, dass er auch noch ihre Beine fixierte. Verrückte Gedanken über angebliche Vorlieben der Männer und Frauen von Belait durchzuckten ihr Hirn. Aber der Amerikaner machte keine weiteren Anstalten zu Verrücktheiten. Er zog sogar seine Kleider wieder an.
    »Was soll das?«, fragte Ishrat schließlich mit funkelnden Augen; die erste Frage, die sie an ihn richtete.
    »Ich habe etwas zu erledigen und möchte das ungestört tun«, entgegnete Gowers und fügte sarkastisch hinzu: »Keine Angst, heute muss noch niemand umgebracht werden.« Er zog, wobei er mehrmals mit den Füßen aufstampfte, seine Stiefel an, setzte seine Mütze auf – und nahm ihr Schwert an sich, lächelnd wie ein erfolgreicher Dieb. Er würde gehen und sie nackt und gefesselt zurücklassen.
    »Die Decke, bitte!«, sagte Ishrat und fühlte zum ersten Mal eine Welle heißer Scham in sich aufsteigen.
    Gowers nahm die leichte Decke, die während des Aktes vom Bett gerutscht war, und legte sie bis zum Hals über die Hass schwitzende junge

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