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Das blaue Siegel

Das blaue Siegel

Titel: Das blaue Siegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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eins älter als das andere, standen neben einem niedrigen Lager flacher Steine, die mit mehreren Schichten dicker Felle bedeckt waren. Einige dieser Felle stammten von Tieren, die er noch nie gesehen hatte: dichte, wollige Haare von etwa fünf Zentimeter Länge und einem hellen Braun, darüber sehr lange, grobe Schutzhaare, die an vielen Stellen schon ausgerissen und abgeschabt waren, aber noch Farbnuancen von tiefem Schwarz über alle Braun- und Zimttöne bis hin zu Lohgelb und Weiß erkennen ließen. Er strich darüber und fragte, was das sei. Das Mädchen verstand zuerst seine Frage nicht, aber als er an den Haaren zog, sagte sie: Oomingmaq , das Tier mit der Haut wie ein Bart, was John natürlich nur wenig weiterhalf. Den Übersetzer zu rufen hätte ihr einvernehmliches Vorhaben empfindlich gestört, und auch Miertsching hatte selbstverständlich noch keinen Moschusochsen gesehen.
    Dass Kenualik nicht erklären konnte, dass abgestandener Urin Fett löst, je älter, desto besser, und deshalb vor allem von Frauen zum Waschen von Haaren, Händen und Gesicht verwendet wird, war dagegen vielleicht ganz gut. Er nahm den Geruch auch bald nicht mehr wahr – oder gewöhnte sich daran. Vielleicht achtete er aber auch nur nicht mehr darauf, denn sowie sie im Zelt waren, hatte das Mädchen begonnen, sich auszuziehen. Aus dem gleichen Grund hörte er zwar von fern her die Geräusche des Aufbruchs, dachte aber überhaupt nicht an die Folgen seines Ausbleibens, sondern nur, dass sich in bestimmten Situationen jeder Mann seine Befehle selbst gibt.
    Er wollte rasch seine Schuhe ausziehen, um zu tun, wozu sie ihn hergebracht hatte, aber sie forderte ihn durch Zeichen auf zu warten und kniete nackt, wie sie war, vor ihm nieder, die Augen in Höhe seiner Füße. Schon glaubte er, dass er angebetet würde, als sie ihm signalisierte fortzufahren und dann fasziniert betrachtete, wie er seine Schnürsenkel löste. Sie bewunderte mit offenem Mund seine vielfach gestopften Wollsocken, die ihm eher peinlich waren, biss in die metallenen Knöpfe seiner Hose und Jacke und roch ausführlich an seinem gestreiften Seemannskittel, nachdem er ihn über den Kopf gezogen hatte.
    Sorgfältig rollte sie dann seine Kleider zusammen und legte sie auf seine Schuhe, während er nackt unter die schweren Felle schlüpfte. Sie aber deckte ihn sofort wieder auf und unterzog nach seinen Kleidern auch seinen Körper einer gründlichen Untersuchung mit Augen, Händen, Nase und Lippen. Seine Erektion wurde dabei so hart, dass es wehtat, und er versuchte, sie auf den Rücken zu drehen und zu tun, was er vor zwei Jahren zwischen den Schenkeln einer Mulattin auf Martinique, die ihn »Mon petit Coque« nannte, gelernt hatte. Aber das Mädchen blieb auf ihm hocken, legte seine Hände auf ihre Brüste und führte ihn dann selbst mit einem langen Seufzen in ihren Körper ein. Sie stieß dabei nicht mit dem Becken, was John erwartet hatte, sondern begann, ihren Unterleib kreisen zu lassen, ohne dass er aus ihr herausrutschte. Diese langsame Rotation schien ihn geradezu einzusaugen, und unwillkürlich mischte sich sein Seufzen mit ihrem.
    Er ergoss sich nur deshalb nicht sofort, weil sich in diesem Moment der Zelteingang noch einmal hob und neben einem Schwall kalter Luft die beiden anderen Frauen mitsamt dem Baby hereinkamen. Sie lachten, als sie die beiden jungen Leute schon so unlöslich miteinander verbunden sahen, aber es war kein anzügliches Lachen, wie John es bisweilen in den Hafenbordellen gehört hatte, wenn eine Hure dem Treiben ihrer Kolleginnen zuschaute. Dieses Lachen war freundlich, ehrlich erfreut, wohlwollend; so, wie eine europäische Mutter lachen würde, deren Tochter es sich nach langer Appetitlosigkeit zum ersten Mal wieder richtig schmecken lässt.
    Dass die ältere Frau tatsächlich die Mutter der beiden jüngeren war, machten sie John später am Abend klar, indem die, mit der er geschlafen hatte, ihren Säugling an die Brust legte und ihrerseits eine Brust der Mutter in den Mund nahm. Ihre Schwester nahm sich die andere, und alle drei lachten und freuten sich, als John zeigte, dass er sie verstanden hatte. Der Anblick erregte ihn nur deswegen nicht, weil die Brüste der alten Frau so schlaff herunterhingen, ihr Gesicht faltig und ihr Bauch fett war. Tatsächlich war sie nur wenig über dreißig, aber das waren dreißig andere Jahre gewesen, als man sie in Europa erleben konnte.
    Sie lagen dann völlig nackt und zu viert, mit dem Baby zu

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