Das blaue Siegel
stellten sich mit der Wärme auch die Schmerzen ein, und er verdrehte die Augen, während sich seine Zähne tief in das Holz bohrten.
Währenddessen überlegte McClure, was als Nächstes zu tun sei: zum Schiff zurückgehen, um den Verletzten besser versorgen zu können? Weiterziehen zu den Eskimos, die nun, Haswells Angaben zufolge, kaum noch einen Tagesmarsch entfernt sein konnten? Und sollte man den Bären mitnehmen oder liegen lassen? Immerhin gut zweihundert Pfund Fleisch, die man allerdings würde ziehen müssen – zusätzlich zu dem verwundeten Jungen, der natürlich nicht laufen konnte. War das zu schaffen? Und in welchem Verhältnis standen Aufwand und Nutzen? Er beschloss schließlich, noch einen Tag nach Süden zu gehen, um den unbekannten Eskimostamm zu finden, den Kranken auf dem Schlitten mitzuziehen, den Bären aber zurückzulassen.
Als er ihnen seine Entscheidung mitteilte, schwiegen die Männer betroffen – Bärenfleisch war eine seltene Delikatesse –, und während sie noch missmutig herumstanden, sagte der bäuchlings auf dem Schlitten liegende Schiffsjunge trocken: »Ich würde ihn wirklich gern essen, Sir!« Die Männer brüllten vor Lachen, weil es das Erste war, was er sagte, seit er selbst beinahe gefressen worden war, und auch der Kapitän grinste: »Wie du mir, so ich dir, wie?«
»Ich meine es ernst, Sir«, sagte John. »Wenn Sie ihn hierlassen, lassen Sie mich einfach auch hier. Ich esse ihn roh, und auf dem Rückweg nehmen Sie mich wieder mit.« Natürlich war das indiskutabel, aber seine Entschlossenheit entschied die Sache, und McClure befahl, den ganzen verdammten Plunder samt dem Bären und dem Verletzten aufzuladen und in einer halben Stunde abmarschbereit zu sein. Dann lief er voraus, um den Weg an Land zu erkunden.
Einen halben Tag später, als die Männer sich keuchend über den nassen Schnee schleppten, der sich unter ihren Füßen und den Kufen des schwer beladenen Schlittens in Schlamm zu verwandeln schien, entdeckte McClure von einer Anhöhe aus tatsächlich fünf Zelte in einer kleinen Bucht und rief den Dolmetscher zu sich. Dann sahen sie auch Menschen, soweit erkennbar nur Frauen, die bei ihrer Annäherung schreiend in ihre niedrigen Behausungen flohen. Wieder einmal wurde Miertsching vorangeschickt.
»Sivoravogut! Erksidlarpogut! – Wir fürchten uns, wir haben Angst!«, waren die ersten Worte, die der Missionar seit langer Zeit wieder aus dem Mund fremder Menschen hörte. Aber weil er Eskimokleidung trug und sie seine Worte verstanden, hielten sie ihn schließlich für einen natürlichen Menschen. Und nachdem sie seine Arme, sein Gesicht und seine Haare berührt hatten, beruhigten sie sich allmählich. Es waren nur zwei ältere Männer, ansonsten Frauen und Kinder; ein einzelner Familienclan also, dessen junge Männer auf einem Jagdzug waren. Alle waren sehr mager, die sonst so üppigen Wangen fast eingefallen. Der zurückliegende Winter musste hart zu ihnen gewesen sein.
Die Zelte der Kanghiryuakmiut bestanden aus Seehundfellen, als Zeltstangen dienten Narwalhörner, was darauf hindeutete, dass sie bessere Zeiten gesehen und in einer größeren Gruppe gelebt hatten. Keine einzelne Familie konnte den Narwal jagen. Als dann der Schlitten ins Lager gezogen wurde und die Eskimos den toten Bären sahen, versicherten beide Seiten einander unter lebhaftem Schulterklopfen zunächst einmal, dass sie große Jäger seien. Dann begannen die Frauen, um das Fleisch des Bären zu handeln, boten Netze, Knochennadeln und eine kupferne Harpunenspitze. McClure wollte aber nichts von ihren Tauschwaren annehmen und ließ ihnen schließlich bis auf Tatzen und einen Schinken den Bären als Gastgeschenk, was die armen Menschen allerdings nur aufs Neue verwirrte.
Geschenke waren in ihrer Welt nur in einem Fall üblich: wenn ein Mann eine Frau erobern wollte – und so luden die im ganzen Gesicht schwarz und blau tätowierten Damen nach kurzem Zögern die Männer der Investigator in ihre Zelte ein, was Dolmetscher und Kapitän allerdings zu verhindern wussten. Nur John, der inzwischen hohes Fieber hatte, wurde ins Zelt ihres Angakok gebracht, eines stocktauben alten Mannes, der von der Ankunft der Fremden noch nichts bemerkt hatte und Augen und Mund gar nicht wieder zubekam, als man ihm da plötzlich ein Wesen von den Sternen ins Zelt legte. Fahrig murmelte er ein paar Zaubersprüche über dem Kranken, betastete seine kostbare Kleidung, vor allem seine Schuhe, und eilte dann schnell
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