Das blaue Zimmer
willst du im Garten?“
„Ich muß das Rosenbeet in Schuß bringen. Heute ist der er ste Tag, wo ich Gelegenheit dazu habe. Wenn jemand mit einem Lieferwagen kommt und klingelt, könntest du aufma chen oder mir Bescheid sagen?“
„Erwartest du Gesellschaft?“
„Mrs. Bricks Schwager hat gesagt, wenn er kann, kommt er heute nachmittag vorbei.“
Mrs. Bricks Schwager war für James eine unbekannte Größe. „Was hast du mit ihm vor?“
„Weißt du, er hat eine Kettensäge.“ James sah sie völlig ver ständnislos an, und Louisa wurde ungeduldig. „0 James, ich hab’s dir doch gesagt. Im Wald ist eine Buche umgefallen, und der Bauer hat gemeint, ich kann die abgebrochenen Äste als Kaminholz haben, wenn sie mir jemand zersägt. Und da hat Mrs. Brick gesagt, ihr Schwager würde vorbeikommen. Das hab ich dir erzählt. Das Dumme ist, du hörst nie zu, wenn ich dir was erzähle, und wenn du zuhörst, merkst du’s dir nicht.“
„Du hörst dich an wie eine Ehefrau“, erklärte James.
„Was hast du denn erwartet? Also, halt die Ohren für mich offen. Es wäre peinlich, wenn er käme und wieder wegginge, weil er denkt, ich bin nicht da.“
James stimmte zu, daß es peinlich wäre. Louisa ging und machte die Tür hinter sich zu. Kurz darauf sah er sie in Gummi stiefeln mit dem Rosenbeet beschäftigt. Rufus saß neben der Schubkarre und sah ihr zu. Blöder Hund, dachte James. Er könnte ihr wenigstens helfen.
Der Bericht nahm ihn wieder in Anspruch. Er konnte sich nicht erinnern, daß er jemals für etwas so lange gebraucht hatte. Aber schließlich langte er beim letzten Resümee an und be mühte sich gerade um eine besonders elegante Formulierung, als sein Friede von der knirschenden Ankunft eines uralten Vehikels erschüttert wurde. Es bog von der Straße in die Zu fahrt ein und kam hinter dem Haus zum Stehen, wo es weiter knatterte, während der Fahrer, der offensichtlich nicht riskie ren wollte, den Motor abzustellen, solange er nicht sicher war, ob er hierbleiben würde, am Hintereingang klingelte.
Die elegante Formulierung war für immer verloren. James stand auf und ging öffnen. Auf der Türschwelle sah er sich einem großen, gutaussehenden Mann gegenüber, weißhaarig und rotgesichtig, in Kordhose und Tweedjacke. Hinter ihm auf der Straße stand dröhnend und zitternd ein zerbeulter blauer Laster, über und über mit Schlamm bespritzt, der giftige Auspuffwolken ausstieß.
Der Mann hatte ungewöhnlich helle, unerschrockene blaue Augen. „Mrs. Harner?“
„Nein, ich bin nicht Mrs. Harner. Ich bin Mr. Harner.“
„Ich möchte aber zu Mrs. Harner.“
„Sind Sie Mrs. Bricks Schwager?“
„Der bin ich. Redmay ist mein Name. Josh Redmay.“
James war verwirrt. Der Mann sah nicht aus wie ein Ver wandter von Mrs. Brick. Mit seinen blauen Augen und seinem Offiziersgehabe ähnelte er eher einem pensionierten Admiral, noch dazu einem, der es nicht gewohnt war, sich mit Schreiber lingen vom Unterdeck abzugeben.
„Mrs. Harner ist vorne im Garten. Wenn Sie… “
„Ich hab die Kettensäge dabei.“ Mr. Redmay hatte keine Zeit für Höflichkeiten. „Wo ist der Baum?“
Es wäre glänzend gewesen, ihm zu erwidern: Zwei Strich Westsüdwest. Aber James konnte nur sagen: „Ich weiß es nicht genau. Meine Frau wird es Ihnen zeigen.“
Mr. Redmay bedachte James mit einem langen, abschätzen den Blick, und indem James die Schultern straffte und das Kinn reckte, gelang es ihm, diesem Blick Auge in Auge standzuhal ten. Dann machte Mr. Redmay auf dem Absatz kehrt, ging zu seinem schlammbespritzten Gefährt, langte ins Fahrerhaus und stellte die Zündung ab. Es wurde still, der Laster hörte zu zittern auf, aber der unleidliche Auspuffgestank war trotzdem noch deutlich wahrnehmbar. Mr. Redmay lud die Ketten säge und einen Kanister Benzin von der Ladepritsche. Beim Anblick des Blattes, einem Haifischmaul voller Zähne, bekam es James plötzlich mit der Angst; alptraumhafte Visionen von Louisa ohne jeglichen Finger plagten ihn.
„Mr. Redmay…“
Mrs. Bricks Schwager drehte sich um. James kam sich al bern vor, aber das war ihm egal. „Lassen Sie meine Frau nicht zu nahe an das Ding heran, ja?“
Mr. Redmay verzog keine Miene. Aber er nickte James zu, lud sich die Kettensäge auf die Schulter und verschwand um die Hausecke. Wenigstens, dachte James, als er wieder ins Haus ging; hat er mich nicht angespuckt.
Um Viertel vor fünf war der Bericht fertig. Gelesen und wieder gelesen,
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