Das blaue Zimmer
Meinung, daß er Jane auf ihrer Hochzeitsreise begleiten sollte. Auch Laurie fand, daß er nicht zu feinen Negliges und romantischer Stimmung paßte, aber da es Janes Art war, liebenswürdig allem zuzustimmen, was von ihr verlangt wurde, um dann das genaue Gegenteil zu tun, war Laurie sich ziemlich sicher, daß der Teddy heute abend in der Hochzeitssuite eines Luxushotels zugegen sein würde.
Sie ließ ihre Gedanken weiter durch das Haus schweifen. Ins Gästezimmer, wo ihr älterer Bruder und seine Frau schliefen. In die alten Kinderzimmer, wo ihre Kinder in geerbten Gitter bettchen lagen. Sie dachte an ihren Vater, der sich vielleicht eben zu rühren begann, die Augen öffnete, für das schöne Wet ter dankte und dann anfing, sich Sorgen zu machen. Wegen der Parkplatzvorkehrungen, der Qualität des Sektes, des Umstands, daß die Hose seines Stresemanns ausgelassen werden mußte. Wegen der Rechnungen.
„Wir können uns keine große Hochzeit leisten“, hatte er in demselben Augenblick, als die Verlobung verkündet wurde, mit fester Stimme gesagt. Und die anderen hatten so ziemlich in dasselbe Horn gestoßen, wenn auch vielleicht aus anderen Gründen. „Wir wollen keine große Hochzeit“, hatte Jane ge sagt. „Vielleicht bloß aufs Standesamt und hinterher einen kleinen Imbiß.“
„Wir wollen keine große Hochzeit“, hatte ihre Mutter matt zugestimmt, „aber das Dorf erwartet es. Ich denke, wir kön nen etwas ganz Einfaches… “
Blieben noch Lauries und des Großvaters Beitrag zu der Dis kussion. Laurie leistete überhaupt keinen Beitrag, da sie zur Zeit der Verlobung in Oxford und ganz von Tutorenkursen und Vorlesungen eingenommen war, aber der Großvater las ihnen tüchtig die Leviten. „Ihr habt bloß zwei Töchter“, sagte er zu Lauries Eltern, „was soll da so eine popelige Trauungs zeremonie? Ihr braucht ja nicht gleich ein Zirkuszelt aufzustel len. Räumt das Wohnzimmer leer, und wenn schönes Wetter ist, können die Gäste nach draußen auf den Rasen…“
Sie konnte es ihn sagen hören. Sie drehte sich im Bett herum, vergrub das Gesicht im Kopfkissen und kämpfte gegen die Woge tränenlosen Kummers, die sie zu verschlingen drohte, weil der Großvater ihr Leben lang für sie der liebste Mensch auf Erden gewesen war, ihr klügster Ratgeber, ihr allerbester Freund. Jane und Robert waren altersmäßig nicht weit ausein ander, Laurie aber war sechs Jahre später gekommen und im mer ein wenig einsam gewesen, fast wie ein Einzelkind. „Wie merkwürdig die Kleine ist“, bemerkten die Freundinnen ihrer Mutter in dem Glauben, Laurie würde sie nicht hören. „So ver schlossen. Mag sie denn nie mit anderen Kindern spielen?“ Aber Laurie brauchte keine anderen Kinder, denn sie hatte Großvater.
Großvater war sein Leben lang bei der Marine gewesen. Nach seiner Pensionierung und dem Tod seiner Frau vor mehr als zwanzig Jahren hatte er von seinem Sohn ein Stück Land gekauft und sich ein Häuschen gebaut. Er zog nach Cornwall und sagte Porthmouth für immer ade. Es war ein Holzhaus aus Zedernholz, mit einem Schindeldach und einer breiten Veranda, die über die alte Kaimauer hinausragte. Bei Flut platschte das Wasser gegen die Steine, was Großvater an seine Zeit auf See erinnerte. An dem Geländer seiner Veranda hatte er ein Fernrohr montiert, und das verschaffte ihm viel Freude. Schiffe gab es keine zu sehen, höchstens ein paar klapprige Krabbenkutter, die auf den Kiesstrand unterhalb seines Hau ses gezogen wurden; ansonsten aber kam, die See ausgenom men, heutzutage nichts mehr in den Meeresarm. Doch es machte ihm Spaß, die Vögel zu beobachten und die Autos auf der Chaussee zu zählen, die jenseits des Sandes verlief. Im Win ter fuhren sie nur vereinzelt, aber sobald die Sommertouristen kamen, drängten sie sich Stoßstange an Stoßstange, die Sonne blinkte auf ihren Windschutzscheiben, und das endlose Dröh nen des Verkehrs war wie fernes Bienensummen.
Er war auf seiner Veranda gestorben, an einem warmen Abend, mit seinem gewohnten Pink Gin in der Hand, und sein Plattenspieler hatte hinter ihm im Zimmer gespielt. Er hing sehr an seinem Plattenspieler. Einen Fernsehapparat hatte er nie besessen, aber er liebte Musik. Schöne Nacht, du Liebes nacht, o stille das Verlangen. Die Barkarole. Er hatte die Bar karole gespielt, als er starb. Sie hatten sie auf dem Grammo phon gefunden, die zu Ende gespielte Platte drehte sich noch auf dem Teller, die Nadel kratzte in der letzten Rille.
Er
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