Das blaue Zimmer
wieder aus, dann erzählte er. Als er fertig war, ging Ben Fox zu seiner Verwun derung nicht gleich ans Werk. Er sagte: „Und du hast den Weg hier herauf gefunden?“
„Ich hab mich verlaufen. Ich hab mich andauernd verlau fen, aber dann hab ich die Schlucht gefunden, und da kannte ich mich wieder aus.“
„Braver Junge.“ Er gab ihm einen kleinen Klaps, dann stand er auf. „Ich hol einen Mantel und die Kettensäge …“
Wie er Hand in Hand mit Ben Fox ging, während der schwarz weiße Hund vor ihnen den Hügel hinabtollte, war der Ab stieg zum Hof geschwind und leicht, so daß es kaum zu glau ben war, daß er aufwärts so lange gebraucht hatte. Im Haus wartete Sarah auf sie. Ruhig und gefaßt saß sie am Feuer und trank Tee. Sie hatte einen Koffer gepackt, der nun an der Tür stand.
„Oh, Ben.“
„Wie geht’s?“
„Ganz gut. Ich hatte wieder eine Wehe. Sie kommen alle halbe Stunde.“
„Dann haben wir noch Zeit. Ich nehm mir jetzt den Baum vor, dann bring ich dich ins Krankenhaus.“
„Entschuldige, daß ich dir soviel Mühe mache.“
„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Du kannst stolz auf deinen kleinen Bruder sein. Wie er mich gefunden hat, das hat er prima gemacht.“ Er sah Oliver an. „Kommst du mit mir, oder bleibst du hier?“
„Ich komm mit.“ Die Panik, die blutigen Hände, die aufge schlagenen Knie, alles war vergessen. „Ich helf Ihnen.“
So arbeiteten sie gemeinsam; Ben Fox schlug das Gewirr von Zweigen und Ästen ab, die die Telefondrähte zerrissen hatten, und wenn sie herunterfielen, wuchtete Oliver sie aus dem Weg. Es war harte Arbeit, aber am Ende hatten sie eine schmale Spur zwischen der Straße und dem Flüßchen freigelegt, die breit ge nug für ein Auto sein müßte. Als das erledigt war, gingen sie zum Haus, holten Sarah und ihren Koffer ab und stiegen alle in Wills Personenwagen.
Als sie zu dem gestürzten Baum kamen, war Sarah entsetzt. „Da kommen wir nie durch.“
„Wir müssen es versuchen“, sagte Ben und fuhr geradewegs auf die schmale Lücke zu. Das hatte gräßliche kratzende und schrammende Geräusche zur Folge, aber sie kamen durch.
„Was wird Will sagen, wenn er sieht, was du mit seinem Wagen gemacht hast?“
„Er muß sich um wichtigere Sachen Gedanken machen. Ein Baby zum Beispiel.“
„Im Krankenhaus rechnen sie erst in zwei Wochen mit mir.“
„Das spielt keine Rolle.“
„… und Will. Ich muß Will anrufen.“
„Ich sehe zu, daß ich Will erreiche. Sei du unbesorgt, und halt dich gut fest, denn jetzt rasen wir wie die Höllenhunde. Nur schade, daß wir keine Polizeisirene haben.“
Wegen des Nebels raste er nicht wie die Höllenhunde, aber auch so kamen sie recht zügig voran und fuhren bald darauf unter dem roten Ziegelbogen hindurch in den Hof des kleinen Kreiskrankenhauses.
Ben half Sarah mit ihrem Koffer aus dem Wagen. Oli ver wollte mitgehen, wurde jedoch beschieden, im Auto zu warten.
Er wollte nicht allein gelassen werden. „Warum muß ich hierbleiben?“
„Tu, was man dir sagt“, befahl Sarah, beugte sich zu ihm hinein und gab ihm einen Abschiedskuß. Er umarmte sie fest, und als sie fort war, lehnte er sich zurück, und ihm war zum Heulen. Nicht nur, weil er sehr müde war und weil seine Knie und Hände wieder weh taten, sondern weil er eine nagende Angst verspürte, die sich bei näherer Prüfung als Sorge um seine Schwester erwies. War es schlimm, daß das Baby zwei Wochen zu früh kam? Würde es ihm schaden? Oliver malte sich fehlende Zehen aus, ein verdrehtes Auge. Es regnete im mer noch; der Vormittag erschien ihm wie eine Ewigkeit. Er sah auf seine Uhr und stellte erstaunt fest, daß es noch nicht Mittag war. Er wünschte, Ben Fox würde zurückkommen.
Endlich erschien er. Wie er über den Hof schritt, wirkte er in dieser adretten Krankenhausumgebung vollkommen fehl am Platz. Er setzte sich ans Steuer und schlug die Tür zu. Er sprach eine ganze Weile kein Wort. Oliver fragte sich, ob er gleich er fahren würde, daß Sarah tot sei.
Er schluckte den Klumpen in seiner Kehle herunter. „Hat es – hat es Schwierigkeiten gegeben, weil sie früher gekommen ist?“ Seine eigene Stimme kam ihm seltsam piepsig vor.
Ben fuhr sich mit den Fingern durch die dichten roten Haare. „Nein. Sie haben ein Bett für sie, und sie dürfte inzwischen im Kreißsaal sein. Alles ist bestens organisiert.“
„Warum waren Sie so lange weg?“
„Ich mußte Will erreichen. Ich hab den Markt in Truro an
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