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Das blaue Zimmer

Das blaue Zimmer

Titel: Das blaue Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Büchern und den ernsten Augen und seinem Geheimnis. Vielleicht ist er ein Mörder. Er schauderte und wälzte sich im Bett herum, zog sich die Decke über die Ohren, aber nichts ver mochte das Geräusch des Windes fernzuhalten.
     
     
    Am nächsten Morgen hatte der Sturm nicht nachgelassen. Der Wirtschaftshof war mit angewehtem Unrat übersät, und ein paar schadhafte Ziegel waren vom Dach gerissen worden, doch der Schaden war nicht gleich zu erkennen, weil der Wind Regen mitgebracht hatte, einen dichten Sprühregen, der jeg liche Sicht behinderte. Es war, als sei man in einer Wolke, die einen von der Außenwelt abschnitt.
    „So ein gräßlicher Morgen“, sagte Will beim Frühstück. Er hatte seinen guten Anzug an und war in Schlips und Kragen, weil er auf den Markt gehen wollte. Oliver sah ihm von der Tür aus nach, als er losfuhr. Er nahm den Lieferwagen, damit Sarah den Personenwagen zur Verfügung hatte. Als er über den Weidenrost des ersten Gatters rumpelte, verschwand der Lieferwagen, vom Dunst verschluckt. Oliver machte die Tür zu und ging wieder in die Küche.
    „Was möchtest du heute machen?“ fragte Sarah ihn. „Ich hab Zeichenpapier und neue Filzstifte für dich. Extra für einen Regentag gekauft.“
    Aber er hatte keine große Lust zu malen. „Was machst du?“
    „Ich werde ein bißchen backen.“
    „Rosinenbrötchen?“ Er war ganz versessen auf Sarahs Rosinenbrötchen.
    „Ich hab keine Rosinen mehr.“
    „Ich kann in den Laden gehen und welche kaufen.“
    Sie lächelte ihn an. „Macht es dir nichts aus, den weiten Weg zu gehen, in diesem Nebel?“
    „Nein, das schaff ich schon.“
    „Schön, wenn du es gerne möchtest. Aber zieh deinen Regenmantel und deine Gummistiefel an.“
     
     
    Mit ihrer Geldbörse in der Tasche, den Regenmantel bis zum Hals zugeknöpft, ging er los. Er kam sich abenteuerlich vor, wie ein Forscher, und die Gewalt des Windes beflügelte ihn. Er ging gegen den Wind, so daß er sich manchmal dagegen stem men mußte, und der Sprühregen durchnäßte ihn; seine Haare klebten ihm in kürzester Zeit am Kopf, und das Wasser lief ihm den Nacken hinunter. Die Erde war schlammig und mit abge rissenen Farnblättern übersät, und als Oliver die erste Brücke erreichte und sich über das Geländer beugte, sah er das braune Wasser des angeschwollenen Flusses sturzbachartig zum Meer strömen.
    Es war sehr anstrengend. Um sich aufzumuntern, dachte er an den Rückweg, wenn er den Wind im Rücken haben würde. Vielleicht würde ihm Mr. Thomas wieder einen Schokoriegel schenken, den er auf dem Heimweg mampfen könnte.
    Doch er sollte nicht bis ins Dorf oder in den Laden gelangen. Denn als er an die Wegbiegung kam, wo die Eiche stand, konnte er nicht weiter. Nach Jahrhunderten hatte der alte Baum am Ende dem Wind nachgegeben; entwurzelt lag er da, ein Gewirr aus mächtigem Stamm und abgebrochenen Ästen, die oberen Zweige unentwirrbar mit den abgerissenen Tele fondrähten verheddert. Es war ein furchterregender Anblick. Doch noch größere Angst machte ihm die Erkenntnis, daß dieses Unglück eben erst passiert sein konnte, denn Will war mit seinem Lieferwagen durchgekommen. Er hätte auf mich fallen können. Er malte sich aus, wie er unter dem gewaltigen Stamm eingequetscht war, tot wie das Kaninchen, denn kein Lebe wesen könnte ein so entsetzliches Schicksal überleben. Sein Mund war trocken. Es schnürte ihm die Kehle zu, er schau derte, da ihm plötzlich kalt war, dann machte er kehrt und rannte nach Hause.
    „Sarah?“
    In der Küche war sie nicht.
    „Sarah!“ Er hatte seine Stiefel ausgezogen und fummelte an den Knebeln seines triefnassen Regenmantels.
    „Ich bin im Schlafzimmer.“
    Er raste auf Strümpfen nach oben. „Sarah, die Eiche ist auf die Straße gestürzt. Ich konnte nicht ins Dorf. Und… “ Er brach ab. Irgendwas stimmte nicht. Sarah lag voll angezogen auf dem Bett, die Hand auf den Augen, das Gesicht sehr blaß. „Sarah?“ Langsam nahm sie die Hand herunter, ihre Blicke trafen sich, sie brachte ein Lächeln zustande. „Sarah, was hast du?“
    „Ich… ich hab das Bett gemacht. Und ich… Oliver, ich glaube, das Baby will kommen.“
    „Das Baby…? Aber es soll doch erst in zwei Wochen kom men.“
    „Ja, ich weiß.“
    „Bist du ganz sicher?“
    Nach einer Weile sagte sie: „Ja, ich bin sicher. Wir sollten vielleicht das Krankenhaus anrufen.“
    „Das geht nicht. Der Baum hat die Telefondrähte runterge rissen.“
    Die Straße blockiert. Die

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