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Das blaue Zimmer

Das blaue Zimmer

Titel: Das blaue Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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Alison wollte sie mit Klebstoff und Heftklammern befe stigen. Es spielte keine Rolle, wenn es nicht besonders gut wurde. Es durfte nur nicht zu sehen sein.
    Sie steckte die Liste wieder in ihre Handtasche und dachte trübsinnig an ihr Eßzimmer. Daß sie heutzutage überhaupt ein Eßzimmer hatten, war erstaunlich, aber in Wahrheit war es ein so unansehnliches, nach Norden gelegenes Kabuff, daß nie mand es für einen anderen Zweck haben wollte. Sie hatte es Henry als Arbeitszimmer vorgeschlagen, doch Henry sagte, es sei verdammt kalt, und dann hatte sie gemeint, Larry könnte seinen Spielzeugbauernhof dort aufstellen, aber Larry zog es vor, mit seinem Bauernhof auf dem Küchenfußboden zu spie len. Sie benutzten den Raum nie als Eßzimmer, denn sie nah men alle Mahlzeiten in der Küche ein, oder im Garten, wenn es im Sommer warm genug war, um im Schatten des Ahornbau mes zu picknicken.
    Ihre Gedanken schweiften schon wieder ab, wie gewöhn lich. Das Eßzimmer. Es war so düster, daß nichts es noch düste rer hätte machen können, und so hatten sie es dunkelgrün tapeziert, passend zu den Samtvorhängen, die Alisons Mutter auf ihrem reichhaltigen Speicher ausfindig gemacht hatte. Das Zimmer enthielt einen Ausziehtisch, die Stühle mit den ge schweiften Lehnen und ein viktorianisches Buffet, das ihnen eine Tante von Henry vermacht hatte, und daneben zwei mon ströse Gemälde. Die hatte Henry beigesteuert. Er hatte auf einer Versteigerung ein Kamingitter aus Messing erstanden und sich darüber hinaus als Besitzer dieser deprimierenden Bilder wiedergefunden. Das eine stellte einen Fuchs dar, der eine tote Ente vertilgte, das andere ein Hochlandrind, das im strömenden Regen stand.
    „Dann sind die Wände nicht so kahl“, hatte Henry gesagt und die Bilder im Eßzimmer aufgehängt. „Sie müssen genü gen, bis ich es mir leisten kann, dir ein Original von Hockney zu kaufen, oder einen Renoir oder Picasso oder was immer du möchtest.“ Er stieg von der Leiter und küßte seine Frau. Er war in Hemdsärmeln und hatte Spinnweben in den Haaren.
    „Solche Sachen will ich nicht“, sagte Alison.
    „Solltest du aber.“ Er küßte sie wieder. „Ich will sie.“
    Und es war ihm Ernst. Er wünschte es nicht für sich, sondern für seine Frau und seine Kinder. Für sie war er strebsam. Sie hatten die Londoner Wohnung verkauft und dieses Häuschen erworben, weil er wollte, daß die Kinder auf dem Land auf wuchsen und sich mit Kühen, Ernten, Bäumen und Jahreszei ten auskannten. Und wegen der Hypothek hatten sie sich gelobt, alle notwendigen Maler- und Tapezierarbeiten selbst auszuführen. Diese endlosen Betätigungen nahmen alle ihre Wochenenden in Anspruch. Anfangs war es ganz gut gegan gen, weil Winter war. Doch dann wurden die Tage länger, der Sommer kam, und sie vernachlässigten das Haus und gingen nach draußen, um den überwucherten, verwahrlosten Garten einigermaßen in Ordnung zu bringen.
    In London hatten sie Zeit füreinander gehabt; sie konnten einen Babysitter engagieren und auswärts essen gehen, sie konnten zu Hause sitzen und Musik hören, während Henry die Zeitung las und Alison an ihrer Stickarbeit saß. Aber jetzt ging Henry morgens um halb acht aus dem Haus und kam erst zwölf Stunden später zurück.
    „Ist es das wirklich wert?“ fragte sie ihn hin und wieder, aber Henry ließ sich nicht entmutigen.
    „Das bleibt nicht immer so“, versprach er ihr, „du wirst sehen.“
    Er arbeitete bei Fairhurst & Hanbury, einer Firma für Elektrotechnik, die, seit Henry als kleiner Angestellter dort anfing, bescheiden expandiert und jetzt eine Anzahl interessanter Ei sen im Feuer hatte, nicht zuletzt die Herstellung kommerzieller Computersysteme. Langsam hatte Henry die Beförderungslei ter erklommen und kam nun möglicherweise für die Stellung des Exportdirektors in Betracht, nachdem der Mann, der die sen Posten zur Zeit bekleidete, sich entschlossen hatte, sich vorzeitig zur Ruhe zu setzen, um nach Devonshire zu ziehen und Geflügel zu züchten.
    Im Bett, das gegenwärtig der einzige Ort war, wo sie sich in Ruhe unterhalten konnten, hatte Henry Alison seine Mög lichkeiten, diesen Posten zu bekommen, erläutert. Sie schienen nicht sehr aussichtsreich. Zum einen sei er der jüngste der Kan didaten. Seine Befähigungen seien zwar fundiert, aber nicht glänzend, und die anderen hätten alle mehr Erfahrung.
    „Und was hättest du zu tun?“ wollte Alison wissen.
    „Tja, das ist es ja eben. Ich wäre viel auf

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