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Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition)

Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition)

Titel: Das bleibt in der Familie: Von Liebe, Loyalität und uralten Lasten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Konrad
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ungefiltert, denn:
    »Sie treiben auf einem Meer von Blut. Über ihre Verbrechen komme ich nicht hinweg. […] Eine Aussöhnung mit diesen Eltern kann es für mich unmöglich geben. Die Beschäftigung mit ihnen, die eben an den Verbrechen von uns Deutschen an herausragender Stelle mit verantwortlich waren, war viel zu entsetzlich. Eine vorgeschobene Aussöhnung – genau das würde mich krank machen« (Niklas Frank, Der Vater. Eine Abrechnung ).
    Niklas Frank findet nur einen Ansatz der Identifikation mit seinen Eltern: die Schuld. Dieses Empfinden ist für ihn die einzig wahre Auseinandersetzung mit den Taten der Eltern:
    »Je mehr ich mich mit den Eltern beschäftigte, desto schuldiger fühlte ich mich. Der Satz, ›wir müssen Verantwortung übernehmen, dass es nicht mehr dazu kommt‹, bringt meines Erachtens nichts. Das ist hohles Pathos. Wir sollten vielmehr auch als unschuldige Nachgeborene eine Scham empfinden. Wir sollten uns dem Grauen stellen und den Schmerz aushalten. Aus diesem persönlichen Ansatz entwickelt sich dann von selbst, dass man den Anfängen wehrt.«
    Niklas Frank grenzt sich von seinen Eltern auf einer moralischen Ebene ab, auf der emotionalen ist er für immer an sie gebunden. Er recherchiert seit Jahrzehnten über das Leben der Eltern und wird dies, wie er sagt, wohl bis zu seinem Lebensende tun. Seine Eltern sind in gewisser Weise sein Lebensinhalt – negatives Vorbild, Hassobjekte, schuldig, schuldig, schuldig – und immer präsent, trotz ihres Todes. Er schreibt, an seinen Vater gerichtet, wie froh er sei, dass dieser durch seinen frühzeitigen Tod keinen Einfluss auf ihn hatte:
    »Das Knacken deines Genicks ersparte mir ein verkorkstes Leben. Wie hättest du mir mit deinem Gewäsch das Gehirn vergiftet! Wie der schweigenden Mehrheit meiner Generation, die nicht das Glück hatte, den Vater gehängt zu bekommen. Deshalb bin ich froh, dein Sohn zu sein. Wie arm sind Millionen andere Kinder dran, deren Väter das gleiche Geschwätz voll Hinterlist und Feigheit, voll Mordlust und Unmenschlichkeit von sich gaben, aber nicht so prominent waren wie du.«
    Liest man Franks Bücher über seine Eltern, hört man ihn bei Lesungen sprechen, scheint es ein innerer Zwang zu sein, sich mit den Eltern zu beschäftigen – für die gute, abschreckende Sache, aber vielleicht auch, weil Frank nicht anders kann. Die Ablösung von den Eltern, die bei allen Kindern ein langer Prozess ist, scheint hier nicht zu gelingen, zu stark sind die negativen Bande, die Frank an seine Eltern ketten, oder wie Ralph Giordiano im Vorwort zu Franks Buchs Der Vater schreibt:
    »Man kann aus allem, aus jeder Situation, jeder Position, aus jedem Verhältnis ›aussteigen‹, kann sagen: ›Das will ich nicht mehr, damit habe ich weiterhin nichts zu tun, davon löse ich mich.‹ Nur aus einer Bindung, aus einer Verstrickung, geht das nicht – aus Verwandtschaft! Sag hundertmal: ›Du bist nicht meine Mutter, meine Tochter, mein Sohn, mein – Vater.‹ Sage es, und du bleibst doch, was du warst und was du bist. Auch wenn du es nicht mehr sein willst, umsonst – da kommst du nicht heraus.«
    Niklas Franks öffentliche Auseinandersetzung mit den Eltern wurde ihm von seinen Geschwistern nicht gerade hoch angerechnet. Ein Bruder beschuldigte ihn, ein Lügner zu sein und die Berichte über die Eltern erfunden zu haben, die älteste Schwester verleugnete gar das Ausmaß der Judenvernichtung, und seine Schwester Brigitte hatte sich vorgenommen, »nicht älter als der Vati zu werden« – und brachte sich mit 46 Jahren um, in dem gleichen Alter, in dem ihr Vater gehängt wurde. Nur ein Bruder hielt zu Niklas – aber auch zum Vater: »Ich weiß, du hast es mir bewiesen – unser Vater war ein Verbrecher, aber ich liebe ihn.« Erst die nächste Generation erfährt Entlastung durch Niklas Franks unermüdliche und öffentliche Wahrheitsschau, durch seine Abrechnung mit den Eltern. In der TV-Dokumentation Meine Familie, die Nazis und ich (ARD 2012) zeigt Niklas Franks Tochter sich dankbar, dass ihr Vater für einen gesunden Abstand zwischen ihr und ihrem Großvater gesorgt habe, er sei ihr Bollwerk gegen den Großvater gewesen. Die Auseinandersetzung des Vaters mit dem familiären Erbe habe sie entlastet: Sie habe nicht gegen den Großvater kämpfen müssen, weil ihr Vater ihn bereits besiegt hatte. Die Familie Frank – ein schmerzliches Beispiel für die Auseinandersetzung mit der elterlichen Schuld, aber auch für die Entlastung der

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